Ist das nicht gefährlich?
Oft stellt sich die Frage,
weshalb eine Privatperson einen
Schutzhund ausbildet. Ein Hund
lernt nicht erst im Schutzdienst
zu schützen, das tut jeder Hund
mit guter Bindung zu seinen
Menschen. Der Sporthund lernt im
Schutzdienst lediglich, auf
bestimmte schematische
Situationen zu reagieren, die
aber im normalen Leben nicht
genau so vorkommen. Hunde
verallgemeinern bekanntlich sehr
schlecht. Sie erkennen aus dem
Aufbau der Situation, was als
nächstes von ihnen erwartet
wird. Bereits der Anblick des
Hundeplatzes löst in den meisten
Hunden ein bestimmtes
Verhaltensprogramm aus, das zum
Teil erheblich von seinem
Verhalten außerhalb des Platzes
abweicht. Der Schutzhund erlernt
Strategien, um seine „Beute" zu
erobern, mit denen er im
normalen Leben aber nicht viel
anfangen kann. Bei echten
Gefahrensituationen fehlt dem
Sporthund ganz einfach die
Beute, denn er wird heute nicht
mehr auf den Mann trainiert,
sondern lediglich auf den Ärmel.
Und welcher Verbrecher zieht
schon extra einen Schutzärmel
über, bevor er einen überfällt?
„Schutz-Dienst“ über den
Beutetrieb ist ein Sport, nicht
mehr und nicht weniger. Und das
„wissen" auch die Hunde. Die
meisten so genannten Schutzhunde
sind eigentlich „nur"
Sporthunde, denen das echte
Zivilbeißen nicht mehr
antrainiert wird. Als echte
Schutzhunde, wie sie bei der
Polizei ausgebildet werden, sind
sie für unseren Sport nicht zu
gebrauchen!
Man könnte genauso gut fragen,
wozu eigentlich Agility nützlich
ist und welchen Sinn das Fährten
mache. Die Antwort ist in allen
Fällen gleich und logisch: Es
lastet die Hunde aus und macht
ihnen sichtlich Freude. Genau
darin liegt meines Erachtens
auch der Sinn beim Schutzdienst.
Ich möchte meinem Hund
Beschäftigungsmöglichkeiten
bieten, die über das alltägliche
Spazieren gehen hinausreichen
und seiner Natur bzw. seiner
Rasse entsprechen. Hunde wurden
über Jahrhunderte auf bestimmte
Eigenschaften gezüchtet. Heute
jedoch dämmern viele als
Familienhunde oft nur noch vor
sich hin und führen ein Leben,
das zum größten Teil von
Langeweile geprägt ist. Ich
meine, Hunde sollten ihre
angeborenen Eigenschaften
ausleben können. Sportarten wie
Agility können z.B. einem
Hütehund zwar das Hüten nicht
wirklich ersetzen, aber sie
schaffen doch einen gewissen
Ausgleich. Ein Gebrauchshund wie
es der Belgier nun mal ist,
sollte meines Erachtens
Vielseitigkeitssport betreiben.
Ein Belgier, der im Schutzdienst
arbeitet, fühlt Stolz und
Befriedigung. Er wächst an
seinen Aufgaben und reift in
seinem Selbstbewusstsein. Man
muss nur einmal sehen, wie stolz
Aragon ist, wenn er den Ärmel
erobert hat und wie er die Beute
provozierend wieder zum
Figuranten trägt, damit das
Spiel weiter gehen kann.
Wie keine andere Sportart
entspricht diese Ausbildung der
Rasse und befriedigt ihre
Bedürfnisse auf vielfältige Art
und Weise. Dabei ist der so
genannte. „Schutzdienst" vom
Zeitaufwand her der
unbedeutendste Teil der
Ausbildung. In den drei
VPG-Disziplinen Fährtenarbeit,
Unterordnung und Schutzdienst
steht die Vielseitigkeit des
Hundes im Mittelpunkt. Deshalb
finde ich es richtig, dass die
Prüfungen von SchH (Schutzhund)
zu VPG (Vielseitigkeitsprüfung)
umbenannt wurden, denn dieses
Kürzel gibt das, was geprüft
wird, viel besser wieder. Bei
der Vorbereitung zur VPG-Prüfung
nimmt das Fährten die meiste
Zeit in Anspruch, fast jede
Woche mehrere Stunden. Auch die
von vielen ungeliebten
Unterordnungs-Übungen versuche
ich so in Spiele zu verpacken,
dass Aragon sie gerne ausübt und
sie nicht nur als Arbeit sieht.
Doch obwohl der Schutzdienst
eigentlich nur einen kleinen
Teil der Ausbildung ausmacht,
nimmt gerade er in der
öffentlichen Diskussion den
größten Raum ein. Für mich ist
ausschlaggebend, dass Aragon den
"Kampf" mit dem Figuranten
Freude macht. Er kann sich
ausleben, wie er es sonst
nirgendwo kann, wird
selbstbewusst, behält aber
trotzdem seine Beißhemmung und
Menschenfreundlichkeit. Auch ich
profitiere sehr davon, denn
VPG-Sport ist eine der
interessantesten Sparten im
Hundesport, und ich sehe es als
große Herausforderung an, meinen
Hund auch bei extremen
Triebverhalten ohne Leine zu
leiten, lenken und
kontrollieren.
Man kann dem VPG-Sport durchaus
kritisch gegenüberstehen,
hauptsächlich auch, weil es
immer noch einige Wenige gibt,
die ihn gedankenlos ausüben und
Starkzwang anwenden. Doch dann
sollte man gegen diese Einzelnen
argumentieren und nicht gegen
den ganzen Sport. VPG-Sport wird
schon sehr lange betrieben und
alleine aus diesem Grund sind
alte Methoden dort noch stärker
vertreten. Doch mit der Zeit
werden die „alten Hasen"
aussterben und von Jüngeren
abgelöst, die neue, hundgerechte
Methoden und Ideen einbringen
und die „alte Schule" aus dem
letzten Jahrhundert in den
Hintergrund drängen. Aber auch
bei den sehr erfahrenen „Alten"
gibt es durchaus die
Bereitschaft, auf bestärkende
Methoden über zu gehen, weil sie
die Probleme des Trainings in
dem der Hund ins Meideverhalten
gerät, sehr gut kennen. So weht
auf immer mehr Hundeplätzen ein
neuer Wind (zum Wohle unserer
vierbeinigen Freunde), und
irgendwann werden wir über die
alten Methoden nur noch müde
lächeln.
Um zu entscheiden, ob unser
Schutzdienst gut oder schlecht
ist, beobachte ich Aragon ganz
genau. Auf dem Hundeplatz ist er
konzentriert, offen, frei und
freudig bei der Arbeit und
außerhalb des Platzes verhält er
sich ruhig, ausgeglichen und
souverän. Würde ich auch nur
ansatzweise feststellen, dass
Aragon die „Schutzdienst" -
Ausbildung in irgendeiner Weise
schadet oder sein
Sozialverhalten dadurch leiden
würde, würde ich sie sofort
beenden.
Die Existenzberechtigung der
Vielseitigkeitsausbildung ist
unter anderem in der besseren
Zuchtauswahl gegeben. Gerade die
VPG-Prüfung verlangt vom Hund,
dass er über ein breites
Verhaltensspektrum verfügt. In
der Fährte werden die
Leistungsfähigkeit der Nase und
die Konzentrationsfähigkeit des
Hundes geprüft; in der
Unterordnung wird
Arbeitsfreudigkeit,
Lernvermögen, Intelligenz,
Führigkeit und Sozialverhalten
gefordert. Im Schutzdienst wird
der Hund in seinen natürlichen
Trieben gefordert. Hier muss er
Stress und Spannung aushalten
und man kann erkennen, ob die
Triebbereiche Beute- und
Aggressionsverhalten, und damit
ein starker Durchsetzungswille,
ausreichend vorhanden sind. In
erster Linie werden aber
Gehorsam, Kontrolle und auch die
Nervenstärke bzw.
Selbstbeherrschung des Hundes in
Belastungssituationen überprüft.
Das sind genau die
Verhaltensqualitäten, die den
Hund auch umweltverträglicher
machen.
Der VPG – Sport ist in 3 Sparten
unterteilt Fährte -
Unterordnung - Schutzdienst
Gerade die Hunde mit
ausgeprägten
Gebrauchshundeigenschaften wie
Belastbarkeit, Führigkeit usw.
sind auch diejenigen, die den
ganz normalen Alltag am besten
meistern.
Unkontrollierbare,
nervenschwache Hunde,
unberechenbare Angstbeißer oder
Hunde mit Herz- und
Gelenkkrankheiten haben bei
einer Schutzhundprüfung keine
Chance.
Ziel der Zucht ist ein gesunder,
zu hohen Leistungen veranlagter
Gebrauchshund, der sich von
seinem Wesen her ausgeglichen,
nervenfest, selbstsicher,
absolut unbefangen und gutartig
präsentiert und dazu aufmerksam
und führig ist.
Wenn in der Zucht Hunde
bevorzugt werden, denen
besondere physische und
psychische Leistungen abverlangt
werden, so hat das nicht nur
Auswirkungen auf die
Leistungsfähigkeit der Rasse,
sondern auch auf andere Faktoren
wie Vitalität,
Widerstandsfähigkeit und
Instinktsicherheit.
Der Schutzdienst ist
mittlerweile mit so vielen
Vorurteilen behaftet, dass man
ihn eigentlich umbenennen
müsste. Denn der Hund lernt
dabei nicht wirklich zu
schützen. Verantwortungsvoll
durchgeführte
„Schutzhundeausbildung“ macht
den Hund nicht zum Beschützer.
Richtiger wären eigentlich
Bezeichnungen wie
„Triebförderung" oder
„Sicherheitsdienst". Durch diese
Arbeit will man einen
ausgeglichenen, gehorsamen und
ausgelasteten Hund erreichen,
der es nicht nötig hat, sich
Ersatzbefriedigungen die evtl.
aggressiv ausfallen selbst zu
beschaffen.
Der so genannte Schutzdienst ist
wohl der am meisten verkannte
Teil innerhalb des
Vielseitigkeitssports. Zu viele
Leute glauben immer noch, dass
der Hundesport „scharfe" und
„gefährliche" Hunde
hervorbringt. Zugegebenermaßen
wurden noch bis vor 10 oder 20
Jahren in dieser Sportart sehr
viele Dinge anders angepackt als
heute. In den Anfängen dieser
Sportart fehlte das fundierte
Wissen über das Lebewesen Hund
sowie der Einblick in die
Kynologie. Schutzdienst nach
„alter Schule" war Krieg und der
Figurant war der Feind des
Hundes. Diesen Schutzdienst
„überlebten" nur diejenigen
Hunde, die tatsächlich ein
großes Maß an Aggressivität
mitbrachten, alle anderen
„taugten" einfach nichts und
verschwanden irgendwo in der
Versenkung.
Heute dagegen hat sich vieles
grundlegend geändert. Das Wissen
um den Partner Hund ist größer
geworden als jemals zuvor. Heute
werden die Hunde in guten
Hundesportvereinen unter
Ausnutzung der angeborenen
Triebe ausgebildet. Der
ängstliche, aggressive und
bissige Hund von früher wird auf
Hundesportplätzen nicht mehr
gerne gesehen, dafür wird der
wesensfeste und ausgeglichene
Gebrauchshund gefordert, der
jederzeit in der Hand seines
Besitzers steht und seine
Aufgaben mit ihm als echtes
Team freudig ausführt.
Der Belgier hat eine mehr oder
weniger ausgeprägte angeborene
Selbstsicherheit, die er später
weiter entwickelt und festigt.
Ein selbstsicherer Hund, der
keine Angst hat, wird nicht
zubeißen, er hat es
gewissermaßen gar nicht nötig.
Allein seine Ausstrahlung und
seine Körpersprache genügen.
Deshalb versucht man im
Schutzdienst die Hunde in ihrer
inneren Sicherheit zu stärken,
indem man sie im Kampf um die
Beute gewinnen lässt. Der
gestärkte Hund lernt aber auch
zu verlieren, wenn ihm die Beute
zwischendurch weggenommen wird.
Ein auf diese Weise sorgfältig
ausgebildeter Belgier wird sich
in jeder auf ihn zukommenden
Situation angemessen verhalten,
im Gegensatz zu einem
unausgebildeten und eventuell
sogar noch nervenschwachen Hund,
der in seinem Verhalten weit
weniger sicher einzuschätzen
ist. Wenn mit unserem Belgier in
der Schutzhundeausbildung
richtig gearbeitet wird, ergibt
sich für ihn sowie für seinen
Partner eine faszinierend schöne
Sportart bei der er die
angeborenen Triebe
kontrolliert ausleben kann.
Und genau darum geht es.
Der Vielseitigkeitssport ist für
diese Hunde eine Möglichkeit,
ihre überschüssige Energie und
ihren Tatendrang gezielt
umzusetzen. Die Hunde werden im
Schutzhundsport nicht aggressiv
gemacht, sondern der Hund lernt,
mit seinen eigentümlichen
Trieben umzugehen. Der Hund
lernt, seine Triebe zu
beherrschen und die
Selbstkontrolle zu behalten,
wodurch sich seine Reizschwelle
für unkontrollierte
Aggression erhöht. Im
alltäglichen Leben sind diese
Hunde genauso friedlich und viel
ausgeglichener als so mancher
unterforderter und
unausgelasteter „Familienhund“.
Umso überraschter sind die
Gesichter wenn man Gegner der
Schutzhundausbildung darüber
aufklärt, was für ein
vermeintlich „gefährliches
Monster" sie gerade
streicheln.
Das Resultat einer
verantwortungsvoll
durchgeführten Ausbildung im
Schutzdienst ist kein Killer auf
vier Beinen, sondern ein
selbstbewusster,
stressresistenter, ausgelasteter
Hund, der trotz einer hohen
Reizlage im absoluten Gehorsam
seines Partners steht.
Ich möchte jedoch alle
VPG-Sportler vor allzu
leichtfertigem Wunschdenken
warnen. Es sollte nicht Ziel
sein, eine perfekte VPG-Prüfung
hinzulegen, wenn man sich nicht
auch im „richtigen" Leben
durchsetzen kann. Hunde lernen
situationsbezogen und auch
VPG-Hunde müssen lernen, in
allen Situationen zu gehorchen.
Die wahre Erziehung
geschieht nicht auf dem
Hundeplatz, sondern in der rauen
Wirklichkeit des Alltags!
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