Rangordnung / Dominanz
Rangordnungs- und
Dominanzprobleme zwischen Mensch
und Hund
Die Dominanz der Hunde, die vor
dreißig Jahren noch kein Thema
war, ist inzwischen zu einem
großen Problem geworden. Das
liegt aber nicht daran, dass die
Hunde dominanter geworden wären
als früher, sondern an dem hohen
Prozentsatz von Hundebesitzern,
die zu schwach sind, die es
zulassen, dass sie von ihren
Hunden untergeordnet werden.
Viele verbinden mit
Hundeerziehung und Ausbildung
immer noch den Kasernenhofton
und die Härte früherer Dressur.
Abgeschreckt durch derartig
veraltete Erziehungsmethoden
wird von vielen die Erziehung
nun ganz unterlassen. Das arme
Tier soll seine Freiheit haben.
Verbreitet herrscht regelrecht
Mitleid mit Hunden, die nicht
rund um die Uhr machen dürfen
was sie wollen. Dass ein
wohlerzogener Hund letztendlich
mehr Freiheiten und ein
erfüllteres Leben hat als der,
der zweimal am Tag für eine
halbe Stunde auf der Hundewiese
losgelassen wird und ansonsten
zuhause bleiben muss, weil er
überall unangenehm auffällt,
sehen die wenigsten. Aus einem
Hund, der einfach nur liebevoll
und behütet behandelt wird, muss
nicht zwangsläufig ein „lieber
Hund" werden!
Unser Lebensstil hat sich in den
letzten vierzig Jahren
maßgeblich verändert. Während
z.B. früher die Zimmertüren
geschlossen waren um besser
heizen zu können und die Hunde
dadurch automatisch in ihrer
Bewegungsfreiheit eingeschränkt
waren, sind unsere Häuser heute
zentral beheizt und alle Türen
offen, so dass die Hunde freie
Auswahl haben und sich die
besten Plätze aussuchen können.
Und während die Hunde früher
lediglich Essensreste bekamen
und so erst nach den Menschen
fressen konnten, bekommen sie
heute Fertigfutter und werden
oft schon vor der
Familienmahlzeit gefüttert, weil
man somit seine Ruhe hat.
Während früher die Hunde meist
zur Arbeit gezüchtet und
gehalten wurden, sind sie heute
oft verwöhnte Luxusgeschöpfe,
deren Tagesablauf von Langeweile
geprägt wird. Doch ein Hund muss
beansprucht werden, und zwar
körperlich und geistig. Wenn er
sich langweilt, sorgt er
anderweitig für Aufregung in
seinem Leben. Und kann somit zum
„Problemhund" werden.
Meist hat ein Problemhund nur
ein Problem - den Menschen.
Rangordnung - Dominanz –
Hierarchie - was ist das
überhaupt?
Unter Rangordnung versteht man
Überlegenheits- und
Unterordnungsbeziehungen.
Ranghohe Tiere haben meist einen
größeren Handlungsspielraum und
einen bevorzugten Vortritt zu
Ressourcen, wie beispielsweise
zu Nahrung, Schlaf- und
Ruheplätzen oder zu
Paarungspartnern. Dominante
Tiere haben aber nicht nur
Vorrechte, sondern auch
spezifische Pflichten. In vielen
Fällen müssen sie das Rudel
gegen Angriffe schützen oder
Auseinandersetzungen zwischen
Untergeordneten schlichten bzw.
für den Zusammenhalt des Rudels
sorgen. Das verlangt von ihnen
soziale Kompetenz, die weit mehr
bedeutet als reine Machtausübung
des Stärkeren. Die
unterschiedlichen Rangpositionen
werden die meiste Zeit kampflos
respektiert, was für Ruhe und
Frieden im Rudel sorgt. Eine
klare Rangfolge ist
friedenssichernd und
überlebenswichtig für alle
sozialen Tiere.
Die Worte Rangordnung und
Dominanz sind in der
Hundeerziehung in letzter Zeit
regelrecht in Verruf geraten und
man hört immer wieder z.T. recht
fanatische Stimmen, die
Rudelkonzept und Dominanz
ablehnen. Aber auch wenn die
Hunde keine Wölfe mehr sind und
sich zu einer eigenen Art
entwickelt haben, so haben sie
doch viele Wolfseigenschaften in
ihr Hundedasein mitgebracht.
Caniden (Hundeartige) sind
Anpassungskünstler. Gerade
deshalb können sie uns ja so
geschickt um die Pfote wickeln.
Manche Hundebesitzer lehnen das
Rudelkonzept ab, weil Hunde uns
nicht als Artgenossen sehen und
deshalb auch kein Rudel mit uns
bilden können. Aber weshalb
kommunizieren sie mit uns dann
mit den gleichen visuellen
Signalen, die sie auch gegenüber
ihren Artgenossen zeigen? Mit
Tieren anderer Spezies
kommunizieren sie nicht auf
diese Weise. Menschen und Hunde
bilden einen Sozialverband, in
dem es eine für den Hund
erkennbare stabile
Gruppenhierarchie geben sollte.
Außerdem kann es
Dominanzhierachien
situationsbezogen zwischen allen
Spezies geben. Inner- und
außerartlich. Dazu braucht es
überhaupt kein Rudel, sondern
nur mindestens zwei miteinander
agierende Lebewesen, deren
Bedürfnisse sich zumindest
teilweise überschneiden.
Andere lehnen die
Dominanztheorie ab, weil sie
„Dominanz" mit Unterdrückung im
alten Stil, mit Härte und Gewalt
gegen Abhängige gleich setzen.
Auch verstand man die
Rudelordnung früher als starre
Hackordnung mit Alpha, Beta
.usw. Neuere Forschungen haben
dieses falsche Bild inzwischen
zu recht gerückt. Das
Eltern-Nachwuchs-Dominanz-System
hat das veraltete Alphakonzept
abgelöst. Heute spricht man von
Einordnung statt
Unterordnung!
Sicher, das Wort „Dominanz" ist
so missbraucht worden, dass die
Versuchung nahe liegt, es ganz
aus unserem Vokabular zu
streichen. Im Namen von Dominanz
und Rangordnung wurde viel
Unheil an Hunden angerichtet.
Die Dominanztheorie verkam zu
einer falsch verstandenen, denn
Dominanz hat nichts mit dem
Brechen einer Hundeseele zu tun.
Doch nur, weil diese Theorie
früher falsch interpretiert
wurde und zu gewaltsamen
Auswüchsen führte, muss man doch
nicht gleich die ganze Theorie
über Bord werfen!
Führerschaft und Dominanz des
Menschen lassen sich auch mit
gewaltfreien Methoden erreichen.
Dafür braucht man keine starke
Hand, sondern einen starken
Geist.
Beim Leben in Hierarchie geht es
längst nicht mehr um die Bestie,
welche nur durch Härte bezwungen
werden kann, sondern um klare
Strukturen und eine konsequente
Erziehung mit festen Regeln, die
den Menschen für den Hund
berechenbar machen und ihm so
die notwendige Orientierung und
Sicherheit vermitteln. Gewalt
ist dabei völlig überflüssig.
Dominanz hat nichts mit Gewalt
oder Aggression zu tun, weder
von Seiten des Menschen noch von
der des Hundes!
Unterordnen, unterwerfen,
unterdrücken vergessen Sie es!
Ihr Hund wird es Ihnen danken.
Werden Sie ein
einfühlsamer und souveräner
Anführer
Ein gut eingeordneter Hund wird
seinem Menschen willig folgen
und braucht nur wenig
Unterordnung. Wie eine solche
wohlwollende Führung des Hundes
durch den Menschen aussehen
kann, möchte ich Ihnen
nachfolgend erläutern. Dabei
gibt es allerdings kein
Patentrezept, denn die Hunde
sind genauso verschieden wie wir
Menschen. Ich möchte lediglich
einige Denkanstöße geben.
Letztendlich muss jeder
Hundeführer seinen eigenen Weg
finden.
Es gibt unterschiedliche
„Weltanschauungen" in Sachen
Hund. Die Klärung der
Rangordnung gilt heutzutage bei
vielen Hundeleuten als
vermeintlicher Lösungsansatz für
eine Vielzahl von Hundeproblemen
- doch sie darf nicht den
Charakter einer Universallösung
bekommen. Das Konzept der
Rangordnung ist einleuchtend und
daher sehr verführerisch. Dieses
Denkmodell kann uns helfen,
bestimmte Verhaltensmuster
sozial lebender Tiere besser zu
verstehen und auch
vorherzusagen. Aber passen Sie
auf, dass Sie keinen
„Tunnelblick“ bekommen.
Hundeprobleme können viele
Ursachen haben. Man sollte immer
erst die Motivation des Hundes
untersuchen. Meist will der Hund
gar nicht die Führung
übernehmen, sondern einfach nur
möglichst viel Komfort für sich
selbst heraus schlagen. Die
pauschale Diagnose „Dominanz"
trifft in den seltensten Fällen
den wahren Kern des Problems.
Nicht umsonst ist das Wort
„Dominanz" für viele zum Unwort
geworden. Oft ist ein
„dominanter" Hund einfach nur
ein schlecht erzogener Hund!
Egal, welche „Glaubensrichtung"
man hat, es läuft immer auf das
Gleiche hinaus.
Der Mensch muss Regeln
aufstellen und sie auch
durchsetzen.
Der Hund ist nur dominant, wenn
der Mensch sich dominieren
lässt.
Um es noch einmal klar zu sagen:
Die Aussage „Dieser Hund ist
dominant" beinhaltet keine
Schuldzuweisung an den Hund,
sondern lässt - ganz im
Gegenteil - einen Rückschluss
auf die mangelnden
Führungsqualitäten seines
Besitzers zu. Das wirkliche
Problem findet man immer am
oberen Ende der Leine! Auch die
Ausrede: „Dieser Hund/diese
Rasse ist eben so" ist nur ein
Zeichen menschlicher Schwäche.
Was auch immer in der Beziehung
Mensch-Hund schief läuft,
„Schuld" ist nie der Hund, denn
der folgt nur seinen inneren
Regeln und kennt kein Gut und
Böse. Auch ein Hund, der seine
Familie terrorisiert ist nicht
schlecht. Wir dürfen unsere
Hunde nicht mit menschlichen
Moralvorstellungen messen.
Trotzdem können wir sie nicht
einfach „laufen" lassen. In der
Menschenwelt herrschen nun mal
andere Bedingungen als in der
Hundewelt. Und dient die positiv
verstandene Dominanz des
Menschen nicht auch oft genug
dem Schutz des Hundes vor den
Gefahren unserer Umwelt? Schuld
an schlechter Integration hat
immer der Mensch: entweder durch
mangelhafte Erziehung, fehlende
Konsequenz oder unklare
Einordnung! Nicht der Hund muss
sich ändern indem man seine
Dominanz reduziert, ihn evtl.
sogar einschüchtert, sondern der
Mensch ist gefragt, der sich auf
seine Führungskraft besinnen und
dem Hund Autorität vermitteln
muss. Das kann ein langer und
manchmal ein harter, steiniger
Weg für den Menschen werden –
aber es lohnt sich! Das
„Problem" kann man jedoch auch
lösen, ohne dass man dem Hund
gegenüber ein lautes Wort
anwenden bzw. ihm körperliche
Gewalt zufügen muss.
Dominanz bedeutet für mich
Selbstbewusstsein und
Souveränität vorzuleben; dem
Hund eine klare Linie vorgeben,
an der er sich orientieren kann
und ihm Sicherheit geben, indem
man ihm durch sanfte Konsequenz
zeigt, dass der Mensch das Rudel
im Griff hat.
Man sollte
„Dominanz" durch natürliche
menschliche Autorität und
gegenseitigen Respekt ersetzen.
Was ist Autorität?
Autorität ist eine Frage der
persönlichen Ausstrahlung und
der problemorientierten
Kompetenz. Eine solche
Kombination wird im Allgemeinen
widerspruchslos als Autorität
anerkannt. Sie gehört zur
Überlebensstrategie von
Sozialgemeinschaften. Durch
Autoritäten werden erfolgreiche
Verhaltensweisen und Techniken
weitergegeben, werden auch im
weiteren Verlauf zur Tradition.
Autoritäten sind für die
erfolgreiche Entwicklung des
Individuums notwendig. Autoritär
heißt, trotz mangelnder
Kompetenz, Anerkennung und
Respekt zu fordern. Einer
solchen Anmaßung wird stets
Widerstand entgegengesetzt. Sie
wird nur durch Machtmittel
aufrechterhalten. Antiautoritär
bedeutet etwas Ähnliches wie
„keine Regeln, maximale
Freiheit".
Führen und geführt
werden:
Übertragen auf den Hund heißt
das: Der Mensch muss sich für
den Hund über das Vertrauen zu
einer anerkannten Autorität
entwickeln, die respektiert und
geachtet wird. Manche
Hundeführer strahlen von sich
aus eine natürliche,
überzeugende und gewaltfreie
Autorität aus, so dass die
Rollenverteilung absolut klar
ist und vom Hund nie in Frage
gestellt werden muss.
Rangordnung ist in dieser
Beziehung dann einfach kein
Thema. Er agiert für den Hund
als souveräne, faire Leitfigur.
Der Hund spürt die mentale
Stärke seines Menschen und kann
ihm vertrauen. Bei der Erziehung
des Hundes sollten wir ihm so
viel Freiheit wie möglich
lassen, ihm gleichzeitig aber
auch Grenzen setzen und so viele
Regeln und Struktur geben wie
nötig. Das Sagen hat auf jeden
Fall der Zweibeiner. Ohne
Erziehung mit festen Regeln und
Strukturen (Rangordnung) ist
artgerechte Hundehaltung nicht
möglich.
Heute hört man von
Hundebesitzern immer wieder den
Ausspruch: „Mein Hund ist
dominant!" Dabei wird
automatisch vorausgesetzt, dass
manche Hunde oder Rassen 'von
Natur aus' dominant sind. Doch
das ist ein grundlegendes
Missverständnis. Dominanz ist
nicht schicksalhaft gegeben.
Lediglich die Neigung zur
Dominanz kann manchmal ererbt
sein. Doch was daraus wird,
liegt voll und ganz in unserer
Hand.
Der Begriff „dominant" wird in
der Regel für Hunde verwendet,
die z. B. durch Aufmerksamkeit
inständiges Verhalten ihre
Besitzer bedrängen, ihr Futter
verteidigen, Gehorsamsübungen
verweigern oder die häufig in
Konflikt mit anderen Hunden
geraten. Doch sind diese Hunde
wirklich immer dominant? Ist es
so einfach?
Das Wort Dominanz kommt vom
lateinischen dominari =
überlegen sein. Eine dominante
Verhaltensweise ist
gleichbedeutend mit Bestimmen
und Führen im Sinne von Lenken.
Also keine schlechte Eigenschaft
des Hundes, sondern ein Zeichen
seiner starken Persönlichkeit.
Dominant ist der, der die
Initiative ergreift und agiert.
Derjenige, der reagiert ist der
Unterlegene. Dominanz hat
Aggression nicht nötig. Geistige
Stärke ist wichtiger als
körperliche.
Dominanz ist keine Eigenschaft
eines Individuums - kein Hund
ist von Geburt an dominant. Zur
Ausbildung einer Rangposition
gehören immer mindestens zwei!
Dominanz ist eine Form der
Beziehung und zwar eine
individuell entstandene mit
Vorgeschichte. Dominanz klärt
den Zugang zu umstrittenen
Handlungen, oder das Vorrecht,
Konflikte im eigenen Interesse
zu lösen. Dabei ist Dominanz
eigentlich eine aktive Leistung
des Rangniederen, der dem
anderen ungehinderten Zutritt zu
einer Handlung ermöglicht. Die
aktive Zurückhaltung des
Rangniederen ist der
ausschlaggebende Punkt. Dominanz
definiert sich also durch die
Unterordnung eines Geschöpfes
unter das andere. Wenn der
Dominierte keine Unterwerfung
zeigt, kann der „Dominante"
imponieren bis ihm schwarz vor
Augen wird. Chef wird er alleine
dadurch noch lange nicht. Der
„Dominante" braucht unbedingt
jemanden, der ihm signalisiert:
„Ja, du bist der Boss!" Ein Hund
ist nur dominant, wenn der
Besitzer sich dominieren lässt!
Sind dominante Hunde
selbstsicherer?
Man darf Selbstsicherheit und
Dominanz nicht miteinander
verwechseln. Genauso wie es
verschiedene Formen der
Autorität gibt, gibt es auch
verschiedene Formen der
Dominanz:
Echte Dominanz ist etwas sehr
positives. Dominanz, die sich
auf Souveränität gründet, ist
vergleichbar mit kompetenter
Autorität. Ein souveräner Hund
ist seiner Aufgabe gewachsen. Er
strahlt Selbstsicherheit aus und
schafft alleine durch seine
Anwesenheit Ordnung, Sicherheit
und Ruhe. Ein souveräner Hund
ist gelassen, er ruht in sich
selbst. Er besitzt eine
Autorität, die es nicht nötig
hat, auf Aggressivität
zurückzugreifen. Aber er weiß
auch: „Wenn Not am Mann ist,
dann werde ich mich schon
durchsetzen." Er muss deshalb
auch nicht auf alles und jedes
sofort reagieren. Aber wenn
seine Autorität in Frage
gestellt wird, kann er sich
durchaus auch mal in
angemessener Weise der
Aggressivität bedienen. Diese
Aggression wird kontrolliert
sein, was bedeutet, dass der
dominante Hund genau die
notwendige Korrektur anwenden
wird, damit der Untergeordnete
seine Vorrechte respektiert.
Gemachte Dominanz wird zum
Problem. Dominanz, die aus
Verunsicherung wächst ist
vergleichbar mit autoritärer
Anmaßung. Ein solcher Hund ist
ein Hochstapler, der sich eine
Rolle anmaßt, die ihm nicht
zusteht. Auslöser dieses
Verhaltens ist der Mensch, der
als Autorität versagt hat. Der
Hund braucht aber Regeln, und so
füllt er selbst die Leere, die
durch die Führungsschwäche des
Menschen entstanden ist. Ein
Hund, der aus Unsicherheit
heraus dominant erscheint, ist
mit seiner Rolle als Anführer,
der sein Rudel schützen muss, in
Wirklichkeit überfordert und
kann durchaus aggressiv sein.
Seine Aggressivität ist ein
Zeichen seiner Schwäche. Im
Hunderudel würde er nicht ernst
genommen. Er könnte niemals
„Alpha" sein. Diese
überforderten Hunde versuchen,
ihre Unsicherheit auszugleichen,
indem sie Dinge oder
Situationen, die ihnen wichtig
erscheinen, unter ihre Kontrolle
bringen, was ihnen Sicherheit
vermittelt.
Das Wolfsrudel
Vorbild für die Hundeerziehung
und –ausbildung:
Unsere Hunde sind zwar keine
Wölfe mehr und haben sich im
Laufe von 15.000 Jahren an das
Zusammenleben mit dem Menschen
angepasst, trotzdem wird als
Erklärung für das Verhalten von
Hunden immer wieder das
Rudelleben der Wölfe
herangezogen und auf den Hund
übertragen. Sicher wir können
viel vom Wolf lernen, z.B. über
sein Ausdrucksverhalten oder wie
wir unserem Hund etwas
vermitteln können, wie wir ihn
artgerecht strafen und loben.
Aber wissen wir wirklich, wie
sich Wölfe verhalten? Aus
heutiger Sicht sind all diese
Weisheiten vorschnell. Wie die
Rudelhierarchie der Wölfe
wirklich funktioniert, können
wir noch immer nicht sicher
sagen. Und selbst wenn wir das
könnten - wie sollen wir das auf
unsere Wohlstandswauwaus
übertragen?
Besonders wenn es um
Unterordnung, Dominanz und
Rangordnung geht, müssen immer
wieder die Wölfe für diverse
Rudeltheorien herhalten. Doch
gerade auf diesem Gebiet hat
sich unser "Wissen" in den
letzten Jahren stark verändert.
Also - wie erreichen bei den
Wölfen die Alphatiere überhaupt
ihren dominanten Status? Früher
glaubte man, dass Wölfe in einer
starren, auf Zwang basierenden
Dominanzhierarchie leben und die
herrischen Alphas ihren höheren
Status gegen nachdrängende
Aufrührer immer wieder durch
Kämpfe „mit Zähnen und Krallen"
verteidigen müssen.
Dementsprechend sollten auch die
Befehle des Menschen eiserne
Gesetze sein, die notfalls mit
Gewalt durchgesetzt wurden.
Autorität und Dominanz wurde mit
Strenge, Härte oder gar Strafe
gleichgesetzt. Bei Ungehorsam
sollte der Hundeführer dem Hund
seine körperliche Überlegenheit
durch rüde Umgangsformen und
Starkzwang klarmachen (kneifen
ins Ohr, Umdrehen der Hoden,
Tritt in die Seite, „Kopfnuss",
Stock, Reizstromgerät, aufhängen
am Halsband, dünnes
Würgehalsband, Stachelhalsband
oder völlig unverhältnismäßig
angewandte scharfe Leinenrucke).
Fehlverhalten des Hundes wurde
als absichtliche
Widersetzlichkeit betrachtet:
man unterstellte dem Hund
menschliche Motive und sagte,
der Hund wolle seinen
Hundeführer 'reinlegen',
'austricksen', 'ärgern' oder
„verarschen" Er weiß es genau,
aber er tut es extra nicht",
heißt es dann. Echte
Verweigerungen sind jedoch eher
selten und dann meist gerade die
Folge von Zwangseinwirkungen.
Die Ausbildung des Hundes wurde
vor allem als Machtkampf
zwischen Herrn und Hund
angesehen. Motto: Zuckerbrot und
Peitsche. So hat man innerhalb
kürzester Zeit einen Hund, der
auf’ s Wort pariert. Allerdings
gehorcht dieser Hund nicht aus
Achtung vor seinem Besitzer
sondern aus Angst vor Strafe. Er
ist kein Partner, sondern ein
Sklave.
In Wirklichkeit gibt es diese
menschlich verstandene Dominanz
- Macht nur um der Macht willen,
Macht die etwas beweisen soll,
Macht die Kraft zeigt - unter
Wölfen gar nicht. Die meisten
Beobachtungen, die früher als
Vergleich zu unseren Hunden
herangezogen wurden, sind an in
Gefangenschaft lebenden Gruppen
gemacht worden, die willkürlich
zusammengesetzt wurden, also
kein gewachsener Familienverband
waren. Diese Sammelgruppen
mussten auf eng begrenztem Raum
leben und hatten fast keine
Ausweichmöglichkeiten. Durch den
unerträglich hohen Stresslevel
war die Aggressivität der Tiere
untereinander in diesen
Wolfsgehegen natürlich relativ
hoch. Neuere Forschungen an frei
lebenden Wolfsrudeln zeigen
dagegen ein ganz anderes Bild.
Die alten Märchen vom ständig
führenden Oberwolf, der
herrscherisch sein Zepter
schwingt und dem sich alle
anderen willenlos unterordnen,
bröckelt mehr als gewaltig. Wir
dürfen nicht den Fehler begehen,
das Stressverhalten von Wölfen
mit dem Normalverhalten unserer
Hunde gleichzusetzen!
Genauso sind aber auch wilde
Hunde, die von den Abfällen der
menschlichen
Überflussgesellschaft leben und
es gar nicht nötig haben, sich
zu organisieren, ein schlechter
„Ratgeber". Zwar leben auch
unsere Wohlstandswauwaus im
Überfluss und müssen nicht für
das Überleben der Familie
sorgen, aber sie leben nicht in
Freiheit, können nicht einfach
ihrer eigenen Wege gehen. Unser
„Sofawolf“ muss sich einordnen
und kann nicht einfach tun, was
er will.
Rudelbildung ist keine
gnadenlose starre Hackordnung
von oben nach unten, sondern
eine Rollenverteilung, in der
jeder eine Aufgabe übernimmt,
die seinen Fähigkeiten
entspricht. In der Natur besteht
ein Wolfsrudel meist aus den
Elterntieren und ihrem
Nachwuchs. Durch ihre größere
Erfahrung, ihre soziale
Kompetenz und ihren
Entscheidungswillen sind die
Eltern fast automatisch
dominant. Außerdem demonstrieren
sie ihre Dominanz durch ihre
Körpersprache und ihr
Markierverhalten. Es gibt im
Rudel also keine heftigst zu
verteidigende und ständig
umkämpfte Rangordnung, sondern
eine Familienstruktur! Alpha ist
meist ein Elterntier - egal ob
Vater oder Mutter.
Wölfe verhalten sich den
Erfordernissen einer Situation
entsprechend. Das Rangverhalten
orientiert sich nicht an einer
formalen Prestige beladenen
Hierarchie, sondern an den für
das Überleben erforderlichen
Funktionen. Ranghoch zu sein,
hat in erster Linie etwas damit
zu tun, sich um das Wohlergehen
der Rudelmitglieder zu kümmern.
Die Alphatiere leiten die
Geschicke ihres Rudels nur, wenn
es um Fortpflanzung,
Nahrungsbeschaffung oder
Gefahrenvermeidung geht. Das
Leittier hat Erfahrung, „hat den
Plan", und seine „planlosen"
Nachkommen tun gut daran, sich
an den Älteren zu orientieren.
„Gehorsam" spielt im Wolfsrudel
keine Rolle. Unsere Ausbildung
und die Forderung von absolutem
Gehorsam wäre für einen Wolf
etwas völlig unnatürliches. Der
Leitwolf kann seine
Schutzbefohlenen zu nichts
zwingen. Er kann durch
Imponieren oder Aggression
lediglich Unterlassungen
fordern. Aktivität jeder Art
erfordert jedoch Motivation -
die anderen müssen es wollen.
Die Kooperation geschieht also
freiwillig. Zurechtweisungen
kommen im Wolfsrudel sehr selten
vor. Nur im Ausnahmefall werden
dem Nachwuchs die Grenzen
gezeigt - und wenn, dann
geschieht dies meist gewaltfrei
und so gut wie ohne
Körperkontakt. Falls eine
Zurechtweisung nötig ist, genügt
ein Blick, eine drohende
Körperhaltung oder ein Knurren.
Ein ranghöheres Tier maßregelt
ein Rangniederes nicht ständig,
lässt es durchaus auch
selbständig agieren und
delegiert ihm Aufgaben, für die
es besonders geeignet ist. In
einem Rudel spielt jeder seine
Rolle. Im sicheren Kernrevier
scheint es sogar überhaupt keine
Rolle zu spielen, wer die Gruppe
anführt. Die Leittiere räumen
gelegentlich ihren Untergebenen
Rechte ein, die eigentlich nur
ihnen selbst zustünden. Sie
haben es nicht nötig, ständig
den Chef heraushängen zu lassen
- aber das können nur die
wirklich Souveränen!
Doch wenn es darauf ankommt,
wird der „Alpha" agieren und
seine Entscheidung treffen - und
die steht dann nicht zur
Diskussion.
Unsere Haushunde leben unter
ganz anderen Bedingungen als
ihre Urahnen. In freier Wildbahn
wandern erwachsen werdende
Jungwölfe, die mit ihrer Familie
in Konflikt geraten sind, im
Alter von etwa 1-3 Jahren ab und
gründen ein eigenes Rudel. Wäre
das nicht möglich, sähe das
Zusammenleben im Rudel auch in
freier Wildbahn sicher nicht
mehr so friedlich aus. Unser
„Sofawolf“ aber kann nicht
einfach seiner eigenen Wege
gehen und muss gehorchen. Wir
halten ihn sein Leben lang in
Abhängigkeit. Hunde zeigen dann
immer wieder Eroberungsstreben,
denen wir rechtzeitig
entgegenwirken müssen.
Natürliches Hundeverhalten ist
im Familienverbund nur ganz
selten erwünscht. Hier muss es
Regeln und Hierarchien geben -
und damit auch Dominanz, um
diese durchzusetzen. Dabei
sollten wir aber nicht aggressiv
werden, wie es das alte
Rudelmodell nahe legt, sondern
uns eher wie gute Eltern
verhalten, die ihren Nachwuchs
führen und fördern. Autorität
ist nicht das Ergebnis von
einzelnen Unterordnungsübungen
sondern ein Resultat des
praktizierten täglichen Umgangs.
Der Hund erwartet von uns eher
eine psychische Überlegenheit
als eine körperliche.
Da wir Menschen ja immer von uns
behaupten, sooo klug zu sein,
alles zu können und zu
beherrschen sollte uns dies dann
auch nicht allzu schwer fallen.
Wenn wir unsere geistige
Überlegenheit ins Spiel bringen
und unserem Hund im täglichen
Leben unsere Führungsqualitäten
zeigen, wird der Hund uns
gehorchen, weil er es für
richtig hält. Freiwilliger,
freudiger, vertrauensvoller
Gehorsam ist das, was jeder
Hundebesitzer anstreben sollte.
Nicht nur der nach
oben in der Rangordnung seiner
Familie strebende Hund beißt,
sondern ganz besonders der
ständig nach unten gedrückte
Prügelknabe aus Angst.
Erik Zimen
Rangeinweisung
Nahezu alle Probleme mit Hunden
haben ihre Ursache in
ungeklärten
Dominanzverhältnissen. Die
Rangeinweisung ist der erste
Schritt in der Erziehung. Bei
der Aufnahme eines Welpen in die
Familie ist die Einordnung auf
dem hintersten Platz
naturbedingt, denn der Jüngste
fängt eben ganz unten an. Diese
natürliche Rangordnung muss
eigentlich nur noch
aufrechterhalten werden. Wenn
der Junghund ins Flegelalter
kommt, kann die Rangordnung aber
durchaus einmal der Klarstellung
bedürfen. Es ist biologisch
absolut funktional, dass jüngere
Hunde die Älteren immer wieder
mal „hinterfragen" und
austesten, ob diese überhaupt
noch in der Lage und willens
sind, das Rudel weiterhin zu
führen. Zeigt der Mensch nun
Führungsschwäche, so zieht der
Hund den Schluss: "Mein Chef ist
kein Chef, und bevor hier alles
den Bach runtergeht, übernehme
ich die Verantwortung lieber
selbst. Einer muss es ja
schließlich machen. Der
Kompetenteste übernimmt die
Führungsposition. Ist die
Rangordnung nicht geklärt,
glaubt auch der winzigste Hund,
die Initiative ergreifen und die
„Herrschaft" im Haus in die
Pfote bzw. zwischen die Zähne
nehmen zu müssen (gerade kleine
Hunde haben ihre Menschen oft
besonders gut im Griff). Die
ersten, scheinbar harmlosen
Vorzeichen dieses Konflikts
werden von den Besitzern leider
oft übersehen. Doch als ob man
einen Lichtschalter umlegt,
übernimmt der Hund eines Tages
„überraschend" die Verantwortung
und setzt seine Rechte und
Pflichten durch. Baut sich dann
ein kräftiger Rüde bedrohlich
auf, reagieren die Besitzer
meist unsicher und ängstlich.
Damit bestätigen sie das
Verhalten des Hundes in seinen
Augen als richtig und notwendig.
Aber in anderen Situationen
verhalten sich die Menschen
manchmal doch nicht so, wie es
ihrem niederen Rang entsprechen
würde. Spätestens dann, wenn
körperliche Strafen mit ins
Spiel kommen, kann die Situation
eskalieren. Entwickelt sich der
ehemals putzige „Schmusehund“
dann zum Tyrannen, ist die
Enttäuschung groß. Und ist das
Kind (Hund) erst in den Brunnen
gefallen, wird er schnell als
bissig und unberechenbar ins
Tierheim entsorgt oder
sicherheitshalber gleich ins
Jenseits befördert.
Hundehaltung mit
„Vermenschlichung"
Ein Problem ist die zunehmende
Vermenschlichung unserer Hunde
in einer Zeit wachsender
sozialer Kälte unter den
Menschen. Unsere Vierbeiner
dürfen viel zu selten einfach
nur „Hund" sein. Sie werden wie
kleine Prinzen umsorgt und
verhätschelt, sitzen auf
Frauchens Schoß und schlafen in
Frauchens Bett. Der Hund
fungiert als Partnerersatz, mit
dem dann demokratisch und
vermenschlicht zusammen gelebt
wird. Gerade kleine Hunde
spielen bei ihren Menschen oft
die erste Geige. Sie sind
einfach zu niedlich, um sie wie
einen richtigen Hund zu
behandeln. Und der Hund nimmt
die Liebesbeweise, die in seinen
Augen Beschwichtigungsgesten
eines Untergebenen sind,
entgegen, glaubt sich zum
umworbenen König gekürt und
besteigt den Thron, den man ihm
angeboten hat. Denn die
Rangordnung wird nicht durch
Aggressionsverhalten gefestigt,
sondern durch das
Unterwerfungsgehabe des
Rangniederen (Menschen). Wir
müssen lernen, die Welt mit den
Augen und dem Verstand des
Hundes zu sehen. Die wirkliche
Hundewelt ist leider nicht so
romantisch, wie es uns
Disneyland einredet. Würden wir
die Bedürfnisse unserer
Vierbeiner und ihr wölfisches
Erbe wirklich respektieren und
achten, wäre unsere Gesellschaft
um viele so genannte
Problemhunde ärmer. Hunde sind
Ordnungsfanatiker. Ohne klare
Rangordnung sind sie unsicher,
ängstlich, aggressiv und schwer
bis nicht erziehbar. Sie wirken
oft hektisch und gestresst.
Stuft man sie in der Rangordnung
herunter, sind sie deutlich
ausgeglichener und zufriedener,
denn Regeln vermitteln dem Hund
Sicherheit und Geborgenheit. Je
klarer Sie für ihn die
Führungsposition innehaben,
desto mehr kann er Ihnen
„glauben" - gerade auch in
schwierigen Angst auslösenden
Situationen. Nur eingeordnete
Hunde sind (selbst)sichere
Hunde.
Unterdrückung macht die
Hundeseele klein. Die
Rangeinweisung sollte nicht zum
Ziel haben, den Hund
einzuschüchtern oder völlig zu
unterwerfen. Über die
Rudelführung entscheiden weniger
Kraft und Herrlichkeit, sondern
Klugheit und Erfahrung. Der
Mensch muss dem Hund ein Führer
sein, aber nicht einer, vor dem
der Hund Angst haben muss. Ein
guter Rudel-/Hundeführer gibt
seinem Hund Unterstützung und
Liebe. Er ist einer, der den Weg
vorgibt, zu dem der Hund
aufschauen und dem er vertrauen
kann: ruhig, sicher, beschützend
und freundlich ist. Ein guter
Führer belohnt und unterstützt
anstatt nur falsches Verhalten
zu bestrafen und wird nur
äußerst selten aggressiv um
Konflikte zu lösen. Auch in der
Mensch/Hund-Beziehung sollten
aggressive Handlungsweisen wie
die so genannte
Alpharolle
auf seltene Extremsituationen
beschränkt werden, um den Hund
an seinen geringeren Rang zu
erinnern. Ich habe die
Alpharolle bei Aragon nur 1 mal
angewendet, als er im
Flegelalter war und eine
deutliche Maßregelung
„brauchte", nachdem er mir an
die Wäsche ging, weil er seine
Bestätigung nicht gleich von mir
erhielt. Nach einer solch harten
Maßnahme muss aber immer etwas
Positives kommen. Deshalb sollte
man dem Hund durch Ausführen
eines Befehls sofort die
Gelegenheit zu richtigem
Verhalten geben, das man
belohnen kann. Die Alpharolle
ist nicht dazu geeignet, den
Hund einzuordnen! Ganz im
Gegenteil. Ist die Rangordnung
nicht bereits vorher geklärt,
kann diese äußerste
Disziplinierungsmaßnahme sehr
leicht ins Auge gehen. Wenn ein
Hund in dieser Situation beißt,
ist er nicht dominant oder
bösartig, sondern er glaubt,
sein Leben verteidigen zu
müssen. Ihm fehlt das Vertrauen
zu seinem Menschen.
Autorität überzeugt, nicht aber
autoritäres Machtgehabe. Wer
seinem Hund mit rücksichtslosen
Zwangsmaßnahmen,
Gewaltausbrüchen, Härte, Druck,
Strafe, Schlägen, Schreien,
Schimpfen und barschem
Kommandieren zeigen will, wer
der Herr im Hause ist, hat die
Schlacht schon von vornherein
verloren. Diese dumm-groben
Methoden signalisieren dem Hund
eher die Unterlegenheit seines
Besitzers. In der Hundesprache
ist Nervosität und Hektik ein
Zeichen der Schwäche. Und
solange Sie nicht erfolgreich
ihre Position als „Alpha"
etabliert haben, werden
fragwürdige Korrekturen wie
Schlagen, Schütteln oder
Alpharolle sowieso nicht
funktionieren. Im Gegenteil, sie
können bei einem selbstsicheren
Hund sogar gefährlich sein und
ins Auge gehen, denn ein
Alphatier kann auf solche
Methoden mit heftiger
Gegenaggression reagieren.
Langzeitstudien an Wölfen
ergaben, dass ein „wahrer Alpha"
die Fähigkeit hat, ohne
physische Gewalteinwirkung für
Ordnung in der Gruppe sorgen zu
können. Ein echtes Alphatier
agiert souverän, fair,
konsequent und durchaus auch
liebevoll! Ein Alpha hat es
nicht nötig, seinen
Vorrangstatus immer und immer
wieder zu bestätigen. Er regiert
durch sorgsame, psychologische
Kontrolle, die durch rituelles
Gebaren (eindrucksvolle
Körpersprache, ausdrucksstarker
Blickkontakt) durchgesetzt wird.
Dominanz entsteht ohne
tatsächlichen Kampf. Jeder
Versuch der Aggression würde
eine Herablassung zu dem Niveau
des wutschnaubenden, also
schwächeren Gegners bedeuten.
Einen hohen sozialen Status
erreicht in einem Hunde /
Wolfsrudel nicht das stärkste
und aggressivste Tier, sondern
ein besonders erfahrener Wolf,
der die höchste soziale
Kompetenz und Jagdkompetenz
zeigt. Also Fähigkeiten, die das
Überleben der Gemeinschaft
sichern. Alpha-Wölfe sind
Leitfiguren mit Vorbildfunktion,
die viele Aktionen einleiten.
Rudelführer ist nicht der
Stärkere, sondern der Schlauere!
Hunde brauchen klare Regeln, an
die sie sich halten können, also
eine konsequente Erziehung. Die
Kunst der Rangeinweisung liegt
darin, dem Hund deutliche
Grenzen aufzuzeigen und ihm
trotzdem zugleich auch seine
hündische Freiheit und
Entfaltungsmöglichkeit zu
belassen. Er muss auch unter
menschlicher Dominanz seinen
persönlichen Charakter ausbilden
können, braucht Spielräume für
seine biologischen Bedürfnisse
und muss deshalb auch ohne
ständige Bevormundung seitens
seiner menschlichen
Bindungspartner selbständiges
Verhalten umsetzen dürfen.
Solange es keine Unstimmigkeiten
in der Rangordnung gibt, darf
sich der Hund frei entfalten.
Keine Rangordnung ist
festgeschrieben; sie kann sich
verändern, der Unterste kann
sich nach oben kämpfen, der
Höchste kann seinen Rang
verlieren. Es ist immer nur ein
Prozess, nie ein Dauerzustand.
Die Rangordnung wird
ununterbrochen durch ein
Geflecht vieler kleiner
Symbolhandlungen und fein
abgestimmter körpersprachlicher
Gesten im täglichen
Zusammenleben abgesichert. Die
Alphatiere halten die Ordnung im
Rudel ohne großen Aufwand mit
Blicken und Bewegungen aufrecht.
Sogar der Wechsel in der
Alpha-Position des Rudels kann
ohne jeden Kampf nur über
mimischen und gestischen
Austausch zustande kommen. Jede
Handlung des täglichen Lebens
z.B. fressen, schlafen, spielen,
um Aufmerksamkeit betteln,
Körperkontakt und Initiative -
hat auch hierarchische
Bedeutung. Diese soziale
Kommunikation macht tatsächliche
Kämpfe und Auseinandersetzungen
überflüssig. Die symbolische
Aktion ersetzt die reale.
Wer ist der "Herr" im
Haus?
Ranghoch ist derjenige- der die
Freiheit hat, etwas
durchzusetzen, wann er es will
und der den anderen bewegen oder
einschränken kann.
Es ist ein Fehler, die eigenen
demokratischen Denkstrukturen
dem Vierbeiner aufzuerlegen, nur
damit die eigenen Bedürfnisse
und Vorstellungen befriedigt
werden. Das Gleichheitsprinzip
gilt allenfalls für Schwärme,
nicht aber für Gruppen mit
echten sozialen Strukturen. Die
Hundewirklichkeit sieht anders
aus. Demokratie ist für Hunde
schlichtweg
gemeinschaftsunfähig. Jeder Hund
denkt hierarchisch - mit
Gleichberechtigung hat er nichts
am Hut. Entweder führt der
Mensch ihn oder er den Menschen.
Wir sollten uns also in diesem
Fall von unserer großzügigen
Einstellung lösen - Ihr Hund
wird es Ihnen danken. Er
erwartet die Eingliederung in
die soziale Gruppe als Fundament
seiner sozialen Sicherheit.
Der ideale Belgier
(Hunde)-Besitzer ist konsequent,
aber auch geduldig, liebevoll,
einfühlsam und fürsorglich. Er
hat Autorität ohne autoritär zu
sein, strahlt Ruhe und
Gelassenheit aus. Der ideale
Anführer ist ein ausgeglichener
und besonnener
Entscheidungsträger. Würde,
Selbstsicherheit und
Willensstärke verleihen ihm eine
natürliche Überlegenheit und
Durchsetzungsfähigkeit. Der Hund
schenkt seine Anerkennung nicht
einem dominanten Diktator,
sondern vertraut nur einem Wesen
mit vielfältiger sozialer
Kompetenz.
Ein wahrer Chef agiert
und ignoriert, die anderen
reagieren.
Viele Hunde leiden unter
Orientierungslosigkeit. Allein
die Tatsache, dass man überhaupt
Regeln einführt, bewirkt bei
diesen Hunden schon einen
Durchbruch zum Besseren. Dabei
ist es eigentlich egal, wie die
Regeln aussehen; man könnte die
folgenden Regeln sogar auf den
Kopf stellen - auch dann würden
sie helfen. Dieser Abschnitt
soll ihnen einige Vorschläge
liefern, wie Sie zur
Führungspersönlichkeit werden,
während Ihr Hund lernt, geduldig
und höflich zu sein.
Diese Regeln sind gedacht für
Menschen und ihre Hunde, die
Probleme im täglichen
Miteinander haben. Ist in der
Mensch-Hund-Beziehung dagegen
alles in Ordnung, muss man sich
nicht an diese Regeln halten.
Der Rudelführer schafft
Tabuzonen, setzt klare Grenzen
und Verbote, aber auf nette Art,
aufmunternd statt strafend, eher
mit Leckerbissen als drohend.
Die Untersagung bestimmter
Aufenthaltsbereiche (z.B.
Essecke und Küche, während der
Zubereitung und Einnahme der
Mahlzeiten) unterstreicht den
höheren Sozialstatus des
Menschen. Der Ranghöchste darf
dagegen alles. Er hat Zugang zu
allem, wann immer er will.
Er bestimmt über die besten
Ruheplätze. Besonders wichtig
sind erhöhte oder strategisch
bedeutende Plätze die
Kontrollblicke über das Revier
oder den Rest des Rudels
gestatten (Terrasse,
Hauseingang, oberster
Treppenabsatz, Sessel, Bett).
Für den Anführer ist nichts
tabu. Setzen Sie sich ab und zu
auch auf die Decke und den
Lieblingsplatz des Hundes. Er
muss den Platz auf Wunsch
unverzüglich ohne Protest
räumen. Und statt auf dem Sofa
in der Führungsetage mit ihm zu
schmusen, begeben Sie sich auf
seine Ebene herab, schmusen auf
seiner Decke mit ihm. Gestatten
Sie dem Hund keine eigenen
Hundemöbel und keine schwer
erreichbaren und gut zu
verteidigenden Hundeboxen oder
Plätze. Ein Platz am Rande des
Geschehens genügt.
Er bestimmt, ob und wann der
Hund Futter bekommt oder auch
nicht. Fütterung evtl. erst
nachdem die Familie ihre
Mahlzeit beendet hat, nach
Ausführung eines Befehls und
anschließender ausdrücklicher
„Genehmigung" (z.B. 'Nimm`s, OK
'). Fordert der Hund pünktlich
sein Futter und wird so lange
lästig, bis er es bekommt,
sollte man den Zeitpunkt der
Fütterung ändern. Den Hund nie
mit Dingen füttern, die man
gerade selbst isst. Betteln
missachten, da gibt es keine
Ausnahme, auch wenn der Hund
noch so hungrig und treu guckt.
Nichts ist umsonst! Lassen Sie
den Hund sein Futter verdienen.
Also weniger Futter aus der
Futterschüssel geben, dafür mehr
aus der Hand über den Tag
verteilt nach guter
Zusammenarbeit mit den Hund. Das
fördert die Bindung. Leckerli
zwischendurch gibt es nur als
Belohnung für gehorsames
Verhalten.
Er leitet die Mehrzahl der
Initiativen ein, ohne die
Initiativen des Hundes zu
unterdrücken und ihn ständig zu
bevormunden. Agieren heißt
führen, Status demonstrieren und
auch behaupten.
Er bestimmt über Zeit und Tempo
des Auslaufs, lässt dem Hund in
einem begrenzten Umkreis aber
auch Bewegungsfreiheit. Ziehen
an der Leine durch Stehen
bleiben ignorieren. Der Hund
muss auf den Hundeführer achten,
nicht umgekehrt. Wird der Hund
von der Leine gelassen, erst ein
„Sitz" verlangen, bevor man ihm
die Erlaubnis zum „Loslaufen"
gibt.
Bei der Begegnung mit fremden
Hunden vermittelt der
Rudelführer Sicherheit und
toleriert keine Aggressionen.
Die Entscheidung wann, wo und
mit wem gekämpft wird fällt
ausschließlich der Rudelführer.
Gerade ängstliche Hunde müssen
lernen, dass es nicht ihre
Aufgabe ist, sich um einen
fremden Hund zu kümmern: Wenn
der Chef nicht agiert, wird der
fremde Hund in Ordnung sein und
somit keinerlei Anlass dazu
bestehen, was auch immer zu
verteidigen. Die
Entscheidungsgewalt liegt beim
Ranghöheren.
Er stellt sich der „Gefahr",
übernimmt die Verantwortung,
wenn der Hund vor etwas
Unbekanntem erschrickt. Er geht
dort hin und animiert den Hund
vorsichtig, mit ihm gemeinsam
das "unheimliche" Ding zu
untersuchen. Geben Sie Ihrem
Hund niemals das Gefühl, dass
Sie nicht weiter wissen.
Er führt den Hund, leitet ihn,
zeigt ihm Fertigkeiten
(Erziehung, Ausbildung, Sport,
Tricks; auch während des
Auslaufs). Der Rudelführer ist
interessant und kompetent. Der
Hund erkennt: Jemand, der einem
so viel beibringen kann, den
muss man ganz besonders verehren
- das ist ein ganz großer
Rudelführer! Es lohnt sich, ihm
nachzueifern.
Er geht zur Eingangstür, wenn es
klingelt und entscheidet, ob der
Besuch erwünscht ist oder nicht,
während sein Helfer ins zweite
Glied zurücktritt, etwas abseits
liegt und ruhig die Entscheidung
abwartet.
Er lässt sich bei seiner
Rückkehr zum Familienrudel
hoheitsvoll durch Schnauzenstöße
begrüßen, ignoriert aber erst
einmal allzu aufdringliche
„Liebesbeweise" und bestimmt
selbst den Zeitpunkt der
Kontaktaufnahme. Morgens sollte
der Hund mit
Beschwichtigungsgesten seine
Halter begrüßen und nicht
umgekehrt. Der Ranghöhere lässt
sich begrüßen. Untergeordnete
Neuankömmlinge oder zeitweilig
Abwesende müssen sich dagegen
wieder in das Rudel einordnen,
um "gut Wetter" betteln.
Er beginnt und beendet das
soziale Verhalten, bestimmt
Zeit, Ort und Art von direktem
Körperkontakt und Spiel. Der
Rudelführer lädt andere z.B. zum
Schmusen ein, gestattet einem
Unterlegenen aber nicht, sich
von sich aus zu nähern. Seien
Sie nicht jederzeit frei für
Ihren Hund verfügbar. Machen Sie
sich rar. Er darf den Hund
anfassen, bürsten und belästigen
wann und wo er will. Dabei
streichelt man auch über Kopf,
Nacken und Schultern, auch wenn
der Hund das "nicht mag". Drehen
Sie ihn beim Bürsten auch sanft
auf den Rücken und bearbeiten
Sie vorsichtig auch unbeliebte
Stellen. Zähne, Augen, Ohren,
Pfoten und Hinterteil sollten
regelmäßig „untersucht" werden.
Der Hund darf sich bei diesen
„Kontrollarbeiten" nicht
entziehen oder wehren. Wer die
Führung hat, kann anderen
Rudelmitgliedern jederzeit
körperlich „auf die Pelle
rücken".
Aber Vorsicht: Durch ruckartiges
Entwirren von Fellverfilzungen
verbinden Hunde die Fellpflege
oft mit Schmerz. Um das zu
vermeiden, sollte man den Hund
zunächst an unempfindlichen
Stellen bürsten.
... dazu noch ein Tipp: Man
sollte vom Hund ab und zu ein
„Leg Dich" fordern, bei dem er
sich auch auf die Seite oder den
Rücken dreht. Dabei darf der
Hund allerdings nicht vorzeitig
aufstehen und wird notfalls
sanft aber bestimmt
heruntergedrückt. Dann kann man
ihm zärtlich seinen Bauch
kraulen, bis er sich völlig
entspannt und vor Wonne die
Augen schließt. So schön kann
vertrauensvolle „Unterwerfung"
sein!
Der Rudelführer bestimmt über
das Lieblingsspielzeug des
Hundes sowie Anfang und Ende des
Spiels. Besitz ist ein Symbol
für Macht. Das Spiel mit einem
klaren Wort, z.B. "Schluss",
Ende“ beenden - und sich auch
daran halten. Genug ist genug.
Er geht als Erster durch Türen
und enge Durchgänge. Den Hund
evtl. vor dem passieren absitzen
lassen. Liegt der Hund im Weg,
einfach "durch den Hund
hindurchgehen", so dass er
weichen muss.
Wenn der Hund die
Herrschaft übernimmt
Die Hunde haben ihr Verhalten in
den Jahrtausenden unseres
Zusammenlebens hervorragend an
uns Menschen angepasst und
gelernt, uns zu beeinflussen.
Aus den Mitessern am Rande der
Gesellschaft entwickelten sich
unsere Wohlstandswauwaus, die es
sich auf unsere Kosten gut gehen
lassen. Sie sind wahre Meister
in der "Erschleichung" von
Privilegien und unserer
Sympathie.
Und das sieht dann manchmal so
aus:
1. Der Hund darf nicht ins Haus.
2. OK, der Hund darf ins Haus,
aber nur in bestimmte Räume.
3. Der Hund darf in alle Räume,
aber nicht auf die Couch.
4. Der Hund darf nur auf die
alte Couch.
5. Also gut, der Hund darf auf
alle Polstermöbel, aber nicht
mit ins Bett.
6. OK, der Hund darf ins Bett,
aber nur manchmal.
7. Der Hund kann im Bett
schlafen, wann immer er möchte,
aber nicht unter der Decke.
8. Der Hund darf nur manchmal
unter der Decke schlafen.
9. Der Hund kann jede Nacht
unter der Decke schlafen.
10. Menschen müssen um Erlaubnis
bitten, wenn sie mit dem Hund
unter der Decke schlafen möchte
11. Wir schlafen in einem neuen
Bett.
Doch Spaß beiseite ... den Hund
mit ins Bett zu nehmen, kann zum
Rangordnungsproblem werden.
Wölfe würden es nie wagen, das
Lager des Rudelführers
unaufgefordert zu belegen. Der
würde sie auch nie dazu
auffordern. - Und es sind nicht
nur kleine Hunde, die das Bett
des Menschen wärmen. Macht der
Hund dann Schwierigkeiten mit
seinem Dominanzverhalten, wird
auch das gern unter der Decke
gehalten. Wenn Sie Ihrem Hund
den Körperkontakt nicht
verwehren wollen, versuchen Sie
es doch einfach mal mit
Sozialliegen eine Etage weiter
unten, auf dem Boden.
Auf zudringliche
Beschwichtigungsgesten wie
Schnauzenstoß oder Pföteln würde
ein Alpha-Wolf mit Hochmut und
Ignoranz reagieren. Wir Menschen
dagegen lassen uns von unseren
Hunden nur allzu gerne zum
Schmusen animieren. Nun lässt
sich gewiss nichts gegen die
Liebe zum Hund einwenden, aber
gerade Hundefreunde, die den
Hund ständig mit Liebesbeweisen
überschütten und ihm jeden
Wunsch von den Augen ablesen,
haben besonders oft
Dominanzprobleme. Bedenken Sie:
ein dominanter Hund wird oft von
ihm ausgesuchte Rudel /
Familienmitglieder „einladen",
ihn zu putzen und zu pflegen
(streicheln), dann auch den
anderen pflegen und putzen. Nie
aber würde im Wolfs-/Hunderudel
ein Rudelführer einem
Unterlegenen gestatten, sich von
sich aus zu nähern. Deshalb
sollte es eigentlich Aufgabe des
menschlichen Rudelführers sein,
derartige Kontakte zu beginnen
und zu beenden. Ausnahme ist die
Rückkehr zum Familienrudel und
die morgendliche Begrüßung, denn
dann muss der Rangniedrige „um
gut Wetter betteln". Der
Rudelführer lässt das
hoheitsvoll über sich ergehen
und reagiert eher kühl und
abweisend. Beobachten Sie Ihren
Hund doch mal morgens beim
Aufstehen: dominante Hunde sind
Morgenmuffel. Sie wollen von
ihrem „Herrn" begrüßt werden. -
Wobei der Mensch den Hund wieder
mit Beschwichtigungsgesten
überschüttet und ihm so
signalisiert „Alles in Ordnung -
Du bist immer noch der Chef".
Wissen, wohin man gehört
Früher hat man Hunde, die nicht
gehorchten, verprügelt. Heute
ist dies zu Recht verpönt. Dafür
macht man nun das Gegenteil -
man erzieht sie überhaupt nicht
mehr. Dem Hund werden nur
halbherzig Grenzen gesetzt.
Erziehung wird hier oft
gleichgesetzt mit Entzug von
Freiheit oder Nichtanerkennen
der Bedürfnisse des Hundes - und
das will man ihm natürlich nicht
antun. Doch wir müssen keine
Angst haben, dass unser Hund uns
nicht mehr gern hat, wenn wir
ihn korrigieren. Das Gegenteil
wird der Fall sein. Ein Führer,
der sich durchsetzen kann,
einer, der wirklich führen kann,
wird von seinem Hund über alles
geliebt. Denn bei dem kann er
sich sicher fühlen, zu ihm kann
er Vertrauen haben. Ohne Respekt
ist keine Liebe möglich! Und
anders als in so mancher
menschlichen Hierarchie ist der
Rang bei Hunden nicht mit einer
Wertung verbunden.
Rangeinordnung ist für den Hund
kein Abstieg auf der
Karriereleiter, sondern ein
Zugewinn an sozialer Sicherheit.
Denn auf den "hinteren Plätzen"
lässt es sich bequem Hund sein,
dort ist man nicht für das Rudel
verantwortlich, sondern lebt das
relativ stressfreie Leben eines
einfachen Mitläufers. Bei
Unklarheiten im hierarchischen
Familiensystem können dagegen
Angstprobleme die Folge sein,
denn ein Hund ist in unserer
künstlichen Umwelt überfordert,
wenn er die Rolle des
Rudelführers übernehmen muss.
Keine Missverständnisse
aufkommen lassen!
Dominanz hat viele Gesichter. Es
gibt bei so komplexen
Verhaltensweisen wie der
Sozialstruktur leider keine
eindeutigen Statussymbole, an
denen man die Rangordnung
zwischen Hund und Mensch einfach
ablesen könnte - so nach dem
Motto: „Wer geht als Erster
durch die Tür?". Vielleicht ist
der Hund ja einfach nur
aufgeregt und von seinem
Besitzer nicht zum Warten
erzogen worden. Und wenn der
Hund Menschen bei der Begrüßung
anspringt - ist das dann noch
die hundsnormale
Beschwichtigungsgeste eines gut
eingeordneten Hundes oder
bereits dominante
Aufdringlichkeit? Wenn der Hund
anschlägt - tut er das, um
seinen Chef zu rufen oder
bestimmt er schon, wer sein
Territorium betreten darf und
wer nicht? Und wenn der Hund
sich neben uns auf dem Sofa
räkelt - benutzt er das Sofa nur
oder hat er es bereits besetzt?
Auch wenn der Hund uns zum
Spielen oder Schmusen aufordert,
haben wir noch kein generelles
Dominanzproblem - so lange er
auf unsere Zurückweisung nicht
mit Protest reagiert. Und ein
Hund der ständig an der Leine
zieht, weil wir ihm zu langsam
sind, ist nicht dominant,
sondern einfach nur schlecht
erzogen. Auch Theorien, bei
denen verlangt wird, dass der
Hund immer hinter seinem Herrn
gehen muss, sind völlig
überzogen und finden im
Wolfsrudel auch keine
Entsprechung. Das Miteinander
ist wichtig, nicht das
Hintereinander! Noch krasser ist
es, wenn auch das Harnmarkieren
der Rüden nur noch unter
Dominanz-gesichtspunkten gesehen
wird. Ein Hund muss das tun
dürfen, auch wenn er nicht
wirklich „muss". Und kein Mensch
muss seinen „Senf" dazugeben um
seinen Status zu halten. Das
sollte man als menschlicher
„Alpha" ganz souverän dem
überlassen, der es am besten
kann. Wir sind ein Team, und in
unserem Auftrag soll der Hund
diese wichtige Aufgabe
gewissenhaft erledigen. Der Hund
muss auch Hund sein dürfen und
soll pinkeln, rennen, toben,
springen, schnüffeln, buddeln
und Neues entdecken. Und er muss
hin und wieder auch einmal
ungehorsam sein und die Präsenz
des Menschen vergessen dürfen.
Häufen sich die ranganmaßenden
Verhaltensweisen jedoch, können
sie durchaus einen Hinweis
geben, dass die Rangbeziehung
zwischen Hund und Mensch aus
Hundesicht anders aussieht als
der Mensch denkt.
Einzelne Dominanzgesten haben
keinen Vorhersagewert! Es gibt
zweierlei Arten von Dominanz.
Die über lange Zeit stabile
„formale Dominanz" zeigt sich in
der Körperhaltung und dem
allgemeinen Umgang miteinander,
wobei die oben beschriebenen
Eigenschaften des Rudelführers
eine große Rolle spielen.
Daneben gibt es aber auch noch
eine momentane, aktuell
ausgeübte Dominanz, die sich
z.B. im Anspringen oder anderen
einzelnen Dominanzgesten zeigt.
In 90 % aller Situationen
stimmen beide Dominanzarten
überein, in den restlichen 10 %
verzichtet der Ranghöhere
lediglich vorübergehend auf
„sein Recht". Über die
Rangbeziehung zwischen zwei
Individuen entscheidet also
niemals eine einzelne Situation,
sondern immer die Summe aller
möglichen Situationen in einem
bestimmten Zeitrahmen.
Das merkwürdige Verhalten
hungriger Hunde zur Fressenszeit
...Auch wenn ein Hund gegenüber
seinem Herrn einen besonders
guten Knochen verteidigt, so
zeugt das nicht gleich von
fehlendem Respekt. Vielleicht
hat er einfach nur nicht genug
Vertrauen und fürchtet, dass man
ihm das gute Stück wegnehmen
könnte. Wenn im Wolfsrudel ein
Tier eine Handlung für sich
erschlossen hat und nutzt,
lassen die anderen ihm seinen
Besitz. Hat ein Wolf bereits
etwas im Fang, gibt er das in
der Regel nicht mehr her. Der
Bereich direkt um die Schnauze
ist tabu gegen Diebstahl. Wir
Menschen aber respektieren
dieses „Hundegesetz" nicht, und
begehen Mundraub. Dann kann der
Hund schon mal aggressiv werden,
um seinen Schatz zu verteidigen.
Das ist ganz normales
Hunde/Wolfsverhalten. In der
Natur bestehen Alphatiere nicht
zu jeder Zeit auf Kontrolle
aller Handlungen. Es gibt bei
ihnen keinen Dominanzanspruch
„aus Prinzip". Rangniedrige
Tiere verteidigen ihre Beute
auch gegen hochrangige
Konkurrenten, die es dem
Eigentümer dann oft überlassen.
Niederrangige Tiere haben das
Recht zum Protest. Ist ein
ranghoher Wolf satt, warum soll
er dann wegen eines „blöden"
Knochens mit einem rangniedrigen
Tier streiten? Nur bei
Futterknappheit würde er auf
seinem Vorrecht bestehen. - Aber
eine Menschenfamilie ist kein
Wolfsrudel. Aus
Sicherheitsgründen ist es im
menschlichen Familienrudel (vor
allem, wenn kleine Kinder dazu
gehören) natürlich trotzdem
sinnvoll, dem Hund beizubringen,
dass er z.B. Kindern nichts
stehlen darf und selbst alles
abgeben muss. Das gehört zu
einer guten Erziehung. - Doch
für den Hund ist diese Forderung
völlig unverständlich.
(Vorbeugen ist besser als
Heilen. Das Stehlen von
Leckerbissen ist übrigens eine
reine Frage der Erziehung. Mein
Napf gehört mir!)
Wenn der Hund die Schnauze zu
voll nimmt
Doch wie soll man reagieren,
wenn der Hund bereits erste
Futteraggression zeigt? Es kann
schon mal vorkommen, dass er
seinen Futternapf verteidigt.
Reden Sie keinesfalls
beschwichtigend auf den Hund
ein, denn das würde sein
Verhalten noch verstärken.
Unbedingt vermeiden sollte man
in dieser Situation eine
körperliche Drohhaltung, bei der
man den Körper zum Hund beugt
oder ihn fixiert, denn das
könnte der Hund als Provokation
auffassen, was seine Aggression
verstärkt. Man sollte sich auch
auf keinen Fall zu irgendwelchen
Rangeleien und Machtproben
hinreißen lassen, vielleicht um
ein Exempel zu statuieren. Wer
sich auf einen Kampf einlässt,
verhält sich so, als wäre er im
Rang gleich. Bei einem Kampf
entscheidet sich lediglich, wer
körperlich der Stärkere ist,
aber nicht, wer der Überlegene
ist. Außerdem zieht der Mensch
bei einem Kampf meist den
Kürzeren, denn
höchstwahrscheinlich vermittelt
er dabei eine zweideutige
Botschaft: physische Kraft mit
Angst im Bauch. Das führt genau
zum gegenteiligen Effekt: der
Hund fühlt sich stärker, greift
an, gewinnt und verlässt die
Prüfung mit einer verstärkten
Überlegenheit - und der Mensch
hat seine Autorität verloren.
Bei diesem Ablauf führt der Hund
die Regie und der "Futterknecht"
spielt seine Rolle, den Wünschen
des Hundes folgend, perfekt.
Drehen Sie doch den Spieß um!
Spielen Sie Ihr eigenes Spiel,
indem Sie einfach nicht in den
Konflikt einsteigen! Denken Sie
an den Satz: „Der Klügere gibt
nach." Am besten zeigen Sie sich
erst einmal unbeeindruckt,
quittieren das Bleib – bloß –
weg - Spielchen Ihres Großmauls
mit Verachtung und lassen sich
nicht provozieren. Der
Rudelführer steht so himmelhoch
über dem Hund, dass er es gar
nicht nötig hat, sich mit einem
Untergebenen „wegen dem bisschen
Futter" anzulegen. - Und schon
haben Sie gewonnen!
Aus Sicht des Hundes handelt es
sich hier keinesfalls um einen
feigen Rückzug - diese Annahme
wäre sicherlich eher
menschlicher Natur. Für den Hund
sieht es vielmehr so aus, als
distanziere sich die
Bezugsperson plötzlich und das
löst beim Rudeltier tiefste
Verunsicherung aus. Schließlich
beabsichtigt der vorlaute Hund
nicht, in die Verbannung
geschickt zu werden. Er wollte
nur einmal zeigen, dass er
auftrumpfen kann. Möglichst bald
danach verlangt man dann vom
Hund eine Gehorsamsübung, um
seinen Respekt zu fordern. In
der nächsten Zeit sollte man dem
Hund vorbeugend keine Knochen,
Ochsenziemer o.ä. mehr geben.
Und dann steht natürlich je nach
Problemlage ein „ Aus“ -
Training oder etwas Ähnliches
auf dem Programm. Statt einer
großen Mahlzeit sollte man sein
Futter auf mehrere kleine
Portionen aufteilen. Der
Fressplatz sollte verlegt und
ein anderer Napf verwendet
werden. Man sollte nirgendwo
Fressbares liegen lassen, Reste
sofort wegräumen und die
Futtervorräte und Leckereien
woanders lagern. Auch die oben
gegebenen Rangordnungs-Tipps zum
Thema Futter und Küche sollten
strengstens beachtet werden. So
kann man das Futter z. B.
herrichten und es für den Hund
gut riechbar, aber doch
unerreichbar auf einen Schrank
stellen. Dann isst man selbst in
Ruhe seine Mahlzeit und gibt dem
Hund erst danach sein Fressen -
natürlich erst nach Ausführen
eines Befehls wie „Sitz", kurzer
Verzögerung und ausdrücklicher
Freigabe mit „Nimm". Dabei kann
man dem Hund auch erst einmal
einen leeren Futternapf
hinstellen und den Hund zum
Fressen auffordern. Wenn er
seinen "Kellner" dann erstaunt
ansieht, gibt man etwas Futter
in seinen Napf. Das kann man
mehrmals mit kleinen Portionen
wiederholen. Nun möchte der Hund
sogar, dass man sich seinem Napf
nähert! Klappt das sehr gut,
dann kann man den Hund auch mal
mit einem besonders guten
Leckerli kurz vom Fressen
ablenken - aber nichts
wegnehmen! Er schaut auf,
bekommt das gute Leckerli und
darf gleich weiter fressen.
Wenig sinnvoll ist es
allerdings, einen Hund mit
Futterkonkurrenz aus der Hand zu
füttern, denn dann hat er weder
Überblick über die Menge des
Futters, das ihm zur Verfügung
steht, noch kann er die
Futtergabe in einer für ihn
durchschaubaren Art und Weise
beeinflussen. Das bedeutet, dass
der Hund immer stärker unter
Stress gerät und in aller Regel
sein Futter auf Dauer noch
heftiger verteidigen wird. Eine
Belohnung aus der Hand für
getane Arbeit ist dagegen etwas
anderes, denn dann kann der Hund
die Leckerchengabe durch
Gehorsam selbst beeinflussen.
Dabei sollten Hund und
Hundeführer aber eine gute
Beziehung zueinander haben,
damit diese Form der Fütterung
nicht zu einer
Konkurrenzsituation wird,
sondern den Kontakt unterstützt.
Wenn der Hund sein Futter
bereits „auf Teufel komm raus"
verteidigt, sollte man
schnellstens Rat bei einem
fachkundigen
Verhaltenstherapeuten suchen.
Seien Sie nicht zu stolz, auch
mal einen Hundetrainer zu
konsultieren, der Sie und ihren
Hund im Alltag beobachtet. Das
kann Wunder wirken, weil manche
Verhaltensweisen sich einfach
wie selbstverständlich
einschleichen, die Sie selbst
schon gar nicht mehr
registrieren. Wir sind oft blind
für das, was uns unmittelbar
umgibt.... Ein Fachmann aber,
der nicht zur Familie gehört,
ist neutral, wird die
problematischen Verhaltensweisen
erkennen und versuchen, Abhilfe
zu schaffen.
Die Rangordnungsdebatte
Können wir überhaupt wissen, was
in unseren Hunden vorgeht?
Sicher nicht. Dafür sind sie uns
bei aller körperlichen Nähe doch
zu fern. Gerade das
Rangordnungs- oder
Rudelverhalten ist sehr komplex
und die Hunde sind sehr
flexibel. Was wirklich in einem
Hund vorgeht, davon haben wir
keine Ahnung. Trotzdem sollten
wir wenigstens versuchen, die
Denkweise unseres Hundes zu
verstehen. Genau wie wir
„intelligenten" Menschen in
unserer eigenen Denkweise
gefangen sind und immer wieder
dazu neigen, den Hund zu
vermenschlichen, so verhundlicht
der Hund uns Menschen - auch er
kann nun mal nicht aus seiner
Haut. Machen Sie sich bewusst,
dass Ihr Hund nach eigenen
Regeln lebt. Er folgt seinen
angeborenen Instinkten und
interpretiert unser Verhalten
aus seiner Sicht. Als
Hundebesitzer sollte und darf
man nicht erwarten, dass er
menschliche Umgangsformen lernt.
Behandeln Sie ihn fair und
versuchen Sie, sich in seine
Welt zu begeben und "hündisch"
zu denken. Und für das Rudeltier
Hund ist Leben in Hierarchie
hunde-logisch.
Beobachten Sie Ihren Belgier
mal, wenn er sich Ihnen nähert
und Sie begrüßt. Nähert er sich
Ihnen mit stolzer Haltung, indem
er seinen Kopf und seine Ohren
hoch und gerade hält? Das kann
beeindruckend wirken, bedeutet
jedoch, dass er sich als „Alpha"
fühlt. Dagegen wird ein Hund,
der Menschen als überlegen
betrachtet, sich Ihnen mit
leicht geneigtem Kopf und
zurückgelegten oder seitlich
gehaltenen Ohren nähern. Er wird
sich insgesamt kleiner machen,
um seine Unterwürfigkeit zu
zeigen. Beobachten Sie Ihren
Belgier auch, wie er
verschiedene Familienmitglieder
begrüßt. Wenn er dieses
unterwürfige Verhalten nur bei
einigen Familienmitgliedern
zeigt, nicht aber bei allen,
müssen jene ihr Verhalten
ändern, um ihre Position in der
Familienhierarchie zu
verbessern.
Wie heißt es doch so schön:
Wehret den Anfängen! Versuchen
Sie, einen Blick dafür zu
bekommen, ob und wie Ihr Hund
Sie dominiert, damit Sie dem
entgegenwirken können. Wer
Macho- Gehabe bereits beim
Junghund erkennt und in die
richtigen Bahnen leitet, hat
später einen angenehmen
Hausgenossen, der voll
Selbstbewusstsein mit seiner
geliebten Familie durch dick und
dünn geht.
Es gibt kein Patentrezept für
die Rangeinordnung. Hunde sind
sehr unterschiedlich veranlagt.
Für viele Hunde hat ihre
Stellung in der Familie keine
große Bedeutung. Sie wollen
einfach nur dabei sein und gehen
den Weg des geringsten
Widerstandes. Manche dieser
Hunde brauchen überhaupt keine
ausdrückliche Einordnung. Nicht
jeder Hund nutzt die ihm
eingeräumten Privilegien aus.
Und manchen Hunden sind einzelne
Privilegien nur zu bestimmten
Zeiten oder nur in bestimmten
Situationen wichtig. Aber es
gibt auch sehr
rangordnungsbewusste Hunde, die
zielgerichtet nach Dominanz
streben und die Grenzen des
Erlaubten ganz bewusst immer
wieder austesten. Sie nehmen
sich in biologischem Eigennutz
das, was sie kriegen können. Da
diesen Hunden deutlich klare
Grenzen aufgezeigt werden
müssen, brauchen sie generell
eine strengere Einengung ihrer
Aktivitäten. Und gibt man ihnen
dann ihren Rahmen, fühlen sie
sich im wahrsten Sinne
pudelwohl. Jedes
Mensch-Hund-Rudel muss seinen
eigenen Weg finden.
Einzelne Dominanzgesten bedeuten
noch keine Palastrevolution.
Schwierig wird es erst, wenn der
Hund häufiger als Forderer
auftritt und auch versucht, sich
durchzusetzen.
Sie können Ihrem Hund ruhig
einzelne Privilegien einräumen,
sogar das Bett muss nicht tabu
sein. Aber testen Sie
sicherheitshalber immer wieder
die Rangverhältnisse in Ihrer
persönlichen
Mensch-Hund-Beziehung, indem Sie
Ihrem Hund ab und zu diese
Privilegien entziehen.
Akzeptiert er das ohne Murren,
ist alles in bester Ordnung.
Der unverstandene Hund
Die Anfangsstadien der
schleichenden Machtübernahme des
Hundes verlaufen meist so
harmlos, dass den Besitzern
nichts auffällt, oder sie das,
was ihnen auffällt, als nicht
weiter schlimm betrachten. Die
meisten Hundebesitzer sind der
festen Überzeugung, sie selbst
seien der Chef ihres
Mensch-Hund-Rudels. Als Beweis
führen sie an, dass ihr Hund
doch ganz lieb und verträglich
sei. Was sie dabei übersehen,
ist der Umstand, dass gut
sozialisierte Hunde ihre
Rangstellung mit möglichst wenig
Aggression behaupten. Hunde
haben ein umfangreiches
Repertoire sehr differenzierter
Ausdrucksweisen, die von
Artgenossen sehr wohl verstanden
werden. Leider beherrschen viele
Hundebesitzer diese Kunst nicht
und gehen ihrem Vierbeiner
dadurch ins Netz. Ein Hund, der
seinen Halter nicht respektiert,
kann ein ganz lieber Hund sein -
solange der Halter nichts von
ihm will, was dem Hund nicht
passt. Doch dann kann es
passieren, dass ein bis dahin
lieber Hund seinen Menschen
plötzlich die Zähne zeigt.
Gefährlich wird er in
Situationen, die in seinen Augen
einen Rangordnungskonflikt
darstellen - etwa, wenn sich ein
Kind unwissentlich der
Futterschüssel nähert, wenn er
vom Sofa vertrieben werden soll
oder wenn ein Fremder ins Haus
kommt. Dabei kann schon das
zwischen Hunden übliche,
eigentlich harmlose
„Abschnappen" Richtung Gesicht
beim Menschen zu schweren
Verletzungen führen - deshalb
werden Kinder tragischerweise so
oft dauerhaft entstellt.
Geliebter Haustyrann
Wenn der Hund sich gegen uns
auflehnt und uns anknurrt, die
Lefzen hochzieht, schnappt oder
zwickt, dann passiert das nicht
wirklich aus heiterem Himmel auf
einmal so ganz plötzlich und
völlig unerklärlich. Auch wenn
der Hund die meiste Zeit
liebenswert und fröhlich ist, so
hat er vorher doch schon viele
zarte Signale gegeben. Als
lustige, häufig temperamentvolle
Nervbolzen tanzen manche
dominanten Hunde ihren Besitzern
auf der Nase herum und bestimmen
mit Charme, wo es im
Familienrudel langgeht. Sie
spielen die ihnen überlassene
Rolle des entzückenden
Terroristen richtig gern. Leider
werden diese ersten Vorboten
einer „Rangordnungsdebatte" oft
nicht richtig interpretiert oder
als alberne Marotten des Hundes
belächelt und hingenommen. Doch
spätestens jetzt ist Umdenken
angesagt, denn der Mensch hat
sich als Rudelführer bereits
"den Rang ablaufen lassen".
Meist benimmt der Hund sich
einfach nur aufdringlich. Dabei
zeigt er einige typische
Verhaltensweisen, die uns
Menschen völlig unverfänglich
erscheinen, die für den Hund
aber eine große Bedeutung haben.
Langsam, Schritt für Schritt
tastet er sich auf der
Stufenleiter nach oben. Es
werden Statussymbole gesammelt
und ausgebaut, wie z.B. die
Belagerung des Lieblingssessels
und den letzten Bissen vom Essen
zu bekommen. Er nimmt die
Bequemlichkeiten (Privilegien),
die wir ihm gestatten „dankbar"
an - und nutzt sie bzw. uns aus.
Man sollte seinen Hund mit
wacheren Augen sehen und die
Dinge, die er unternimmt, nicht
nur durch eine rosarote Brille
betrachten! Ein dominanter Hund
ist eine Pest, hat aber meist
auch äußerst charmante Seiten,
die es ihm überhaupt erst
ermöglichen, seine Menschen so
um die Pfote zu wickeln.
Entwickeln sie also einen
gesunden Egoismus und lassen Sie
sich nicht gefallen, dass Ihr
Hund Sie schlechter behandelt
als Sie ihn! Der Hund muss
Vorrechte und „Privatsphäre" der
Rudelführer respektieren.
Der dressierte Mensch
Auf die Frage: „Manipuliert Sie
Ihr Hund?" werden die meisten
Hundebesitzer sicher entschieden
antworten: „Nein, natürlich
nicht!". Doch oft trifft eher
das Gegenteil zu. Hunde sind
Meister im Manipulieren und
besitzen unzählige Strategien,
um ihre Ziele zu erreichen und
ihre Menschen in ihrem Sinne zu
beeinflussen. Dabei proben sie
nicht unbedingt den Aufstand,
sondern versuchen einfach nur,
möglichst viel Komfort für sich
selbst herauszuschlagen.
In vielen Alltagssituationen
setzen Hunde ganz gezielt ihre
Wünsche durch, ohne dass wir uns
dessen bewusst sind. Will Ihr
Hund z.B. nach draußen, geht er
zur Tür und kratzt daran. Oder
ihr Hund findet, dass es Zeit
für sein Fressen wäre und kickt
seinen leeren Napf durch die
Küche, läuft winselnd vor der
Küchentür auf und ab oder stößt
Sie sanft mit der Schnauze an
und sieht dabei so süß aus. Und
Sie - voll des schlechten
Gewissens wegen des armen,
hungrigen Tiers - springen auf
und bereiten ihm sein Futter.
Oder Ihr Hund möchte schmusen,
legt sanft die Pfote oder seinen
Kopf auf ihren Schoß und sieht
dermaßen rührend aus, dass sie
ihn umgehend streicheln. Etwas
später fällt dem Hund ein, dass
er gerne spielen würde, und er
bringt Ihnen seinen Ball. Sofort
springen sie darauf an, lassen
alles stehen und liegen, um dem
Hund seinen Ball zu werfen.
Schließlich wissen Sie, wie
wichtig es ist, sich mit Ihrem
Hausgenossen zu beschäftigen. In
allen Fällen ist das gleiche
passiert: Der Hund hat agiert,
Sie haben reagiert! Sie sind
sofort auf seine Wünsche
eingegangen.
Ihr Hund hat Sie also
erfolgreich manipuliert und
nicht nur für den Moment einen
kleinen Sieg davongetragen. Er
hat einen weiteren Schritt in
Richtung "Wie erziehe ich meinen
Menschen" gemacht. Dass diese
Situation sich jeden Tag
wiederholt, macht ihre große
Bedeutung aus, denn der Hund
macht entsprechend oft die
Erfahrung, dass er es ist, der
den Ton angibt. Und das kann
sich enorm auf die
Gehorsamsbereitschaft Ihres
Hundes auswirken.
Der Schlüssel zur
Rudelführerschaft ist das
Einleiten von Aktivitäten. Daher
müssen wir unsere Aufmerksamkeit
vor allem auf Verhaltensweisen
richten, in denen der Hund als
Initiator von Forderungen
auftritt. Wir müssen wieder
lernen, hundelogisch zu denken
und auch zu handeln. Dominante
Hunde scheinen zu sagen: „Wo ich
bin, spielt die Musik - und
dirigieren tu' ich auch ganz
gern!"
Der Alpha-Hund „diktiert" die
Regeln. Er bettelt nicht,
sondern fordert. Sein „Herr"
gehorcht. Er reagiert nur noch
auf die dominanten
Verhaltensweisen seines Hundes:
Erste Alarmzeichen einer
sich anbahnenden
Rangordnungsdebatte - die
Privilegien
Diese Verhaltensweisen können
Anzeichen für Dominanz sein,
müssen aber nicht! Wie diese
Anzeichen beim einzelnen Hund zu
bewerten sind, muss jeder
Hundebesitzer selbst
entscheiden.
Das Vorrecht, die
Initiative zu ergreifen -
Beachtung on forderndem,
aufdringlichem Verhalten:
- der Hund steht generell im
Zentrum der Aufmerksamkeit, er
ist derjenige, der entscheidet,
wo's langgeht;
- er fordert von seinem
„Türöffner" sofortiges
Hinauslassen, indem er an Türen
bellt oder kratzt;
- er fordert Futter pünktlich
auf die Minute oder außerhalb
der Fütterungszeiten und nervt
so lange, bis er es bekommt;
- er kommt zu ihm genehmen
Zeiten mit Spielzeug und ist
seinem "Alleinunterhalter" so
lange lästig, bis er mit ihm
spielt
- er drängt anderen seine Art
des Spiels auf, bestimmt Typ und
Dauer des Spiels;
- er zeigt
Aufmerksamkeitsheischendes
Verhalten, wenn der Besitzer
telefoniert oder sich mit Besuch
unterhält;
- er nimmt Besucher lautstark in
Empfang, „prüft" sie, ist kaum
zu beruhigen, springt den Gast
an und verlangt Zuwendung;
- er fordert durch
Schnauzenstoßer, Pföteln oder
Winseln zum Streicheln auf und
geht, wenn er genug hat;
- er legt sich auf den Rücken,
um Streicheln zu fordern, spannt
sich an und knurrt, um den
Kontakt zu beenden;
- er legt den Kopf oder die
Pfoten auf den Schoß des Halters
um ihm Aufmerksamkeit
abzuverlangen
Respektloses Verhalten:
- der Hund drängelt, lehnt sich
an seinen Menschen an, drängt
ihn nach und nach zur Seite bis
er seinen Platz einnehmen kann;
- er legt im Fall eines
Konflikts Kopf oder Pfoten auf
Rücken, Schulter, Knie oder
Brustkorb des Menschen;
- er springt an Menschen hoch
und stellt durch Auflegen der
Pfoten seinen Rang klar;
- er versucht, auf Menschen
aufzureiten (Gegenmittel: im
Schulterbereich herunterdrücken
und in anderes Zimmer schicken);
- er ist beim Spiel grob und
hemmungslos, zeigt mangelnden
Respekt durch Anstarren,
Darüberstehen oder Aufreiten;
- er ignoriert seine Menschen
beim morgendlichen Aufstehen
oder wenn diese nach Hause
kommen, lässt sich begrüßen;
Die Kontrolle der
sozialen Distanz und des Raumes,
Bewegungseinschränkung, passive
Dominanz:
- der Hund hindert andere
(Menschen oder Hunde) am
Eintreten oder Verlassen der
Gruppe oder des Zimmers;
- er „hütet" auf Spaziergängen
seine Menschen, obwohl er keiner
Hütehund-Rasse angehört;
- er liegt auf den Füßen des
Menschen; so kann er „seinen"
Menschen kontrollieren und
trotzdem ruhig schlafen;
- er liegt an strategisch
wichtigen Plätzen: Hauseingang,
Treppe, Balkon, Terrasse,
überwacht die Bewegungen der
anderen;
- er liegt in engen Gängen,
schränkt die Bewegungsfreiheit
des Menschen durch querstellen
oder -liegen deutlich ein;
- er drängelt sich an Türen,
Toren, Fluren, Treppen und
sonstigen Engpässen vor;
Die Kontrolle der
sozialen Distanz und des Raumes:
- der Hund begleitet „seinen"
Menschen auf Schritt und Tritt;
- er heult und bellt, wenn der
Besitzer sich entfernt, leidet
unter Angst und Stress durch
fehlendes Vertrauen in die
„Führung";
- er beschädigt Objekte in der
Nähe von Ausgängen, von wo er
sehen kann, wie sich der
Rangniedrige „unerlaubt"
entfernt;
Das Deponieren sozialer
Ausscheidungen,
Protestverhalten, Trotz:
- der Hund deponiert Kot an gut
sichtbarer Stelle, wenn der
Besitzer weggeht ohne den Hund
um Erlaubnis zu fragen;
- er ist unsauber / markiert am
Bein des Menschen oder im Haus,
wenn er unzufrieden ist (z.B.
Fress-, Liegeplatz: „Alles
meins!");
Das Privileg, etwas zu
besitzen - als Beweis der Macht
und Ranghöhe:
- der Hund meldet
Besitzansprüche an: Futternapf,
Küche, Abfalleimer, Spielzeug
oder an Jacken mit Leckerlis;
- er knurrt, verteidigt sein
Spielzeug, Kauknochen oder
ähnlichen „Besitz" um seinen
hohen Rang zu demonstrieren;
- er lässt Gegenstände nicht
aus, reagiert zögerlich auf
Kommandos wie „Aus" oder „Pfui";
- er hortet und verteidigt
„Trophäen", die er in der
Wohnung „gefunden" hat und die
der Mensch wiederhaben möchte;
- er trägt seinen „Besitz" in
stolzer Haltung demonstrativ vor
den Augen seiner Besitzer herum;
- er verteidigt seinen Platz
neben Frauchen oder auf dessen
Schoß / Arm, Liegedecke, Sessel,
Bett, Auto;
- er wird an der Leine zur
Furie, bellt und tobt, um
Konkurrenten von „seinem"
Menschen fern zu halten;
Das Recht zum
Ungehorsam:
- der Hund ist unaufmerksam,
gehorcht nur zögernd, erst nach
mehrmaliger Aufforderung oder
nur, wenn er bestochen wird;
- er kommt nicht, wenn er
gerufen wird, denn es ist nicht
die Aufgabe eines Rangniederen,
das Rudel zusammen zu halten;
Ergebnis: Der Hund
glaubt, er sei ranghoch, weil er
das bekommt, was er gefordert
hat.
Der Alpha-Hund hat den
Haushaltsvorstand übernommen,
agiert und nutzt die
Hilflosigkeit seiner Menschen
gnadenlos aus. Der Halter fällt
auf einen tiefen Rang, verliert
seinen Einfluss auf den Hund und
muss mit der Erziehung
Schiffbruch erleiden. Denn der
Hund muss als Oberhaupt des
Familienrudels einem
Rangniedrigen keine
Aufmerksamkeit schenken, da er
über die Ressourcen sowieso frei
verfügen kann und sich nimmt,
was er will.
Dieser „Stellungskampf" ist
völlig gewaltfrei. Der Hund
zeigt in keiner Situation
Aggressionen gegenüber seinem
Besitzer, allenfalls
Drohverhalten. Mehr braucht der
Hund ja auch nicht zu tun, denn
sein „Herr" verhält sich auch so
wunschgemäß. Aber die z.T.
„liebenswerten Macken" sind
bereits der Anfang einer
Karriere als Problemhund.
Irgendwann bleibt es nicht mehr
bei diesen Frechheiten. Dieses
Dominanzverhalten ist oft die
Vorstufe zu sichtbar aggressivem
Verhalten, denn wenn der Hund
den Verlust einer Ressource
befürchtet, die ihm wichtig ist,
wird er zu stärkeren Mitteln
greifen, um sie zu bewahren. Ein
„aufstrebender" Hund wird sich
bei passender Gelegenheit nach
oben beißen und versuchen,
seinen Machtbereich immer weiter
auszudehnen. Damit fängt er
meist bei denen an, die in der
innerbetrieblichen Rangordnung
ganz unten stehen, den Kindern.
Ehe Sie sich versehen erobert
sich der Hund immer mehr Nischen
und setzt seinen Menschen
Verbote. Diese spricht er
zunächst nur durch Knurren, dann
durch Schnappen und schließlich
durch Beißen aus. Die Besitzer
sind vom ersten offensichtlich
aggressiven Anzeichen ihres
Hundes so überrascht, dass sie,
teils aus Überrumpelung, teils
aus Angst, instinktiv
zurückweichen, womit der Hund
für sich positiv gepunktet hat:
Sein Verhalten war erfolgreich,
also wird er es wieder
probieren. Irgendwann,
spätestens im Alter von etwa 4
Jahren, drehen diese völlig
verzogenen dominanten Hunde,
meist Rüden, dann ganz und gar
durch und wagen den Umsturz.
Dominante Hunde sind vor allem
gegenüber Familienmitgliedern
aggressiv. Rund 70% der
Beißunfälle passieren im
häuslichen Umfeld, oft sind
Kinder die Opfer und oft ist
eine instabile Rangordnung die
Ursache!
Wie soll man reagieren,
wenn der Hund Dominanzgesten
zeigt?
Seien Sie ein wohlwollender
Herrscher und lehren Sie Ihren
Hund, geduldiger und höflicher
zu werden! Holen Sie Ihren Hund
von seinem hohen Ross! Drehen
Sie den Spieß doch einfach um:
agieren Sie und lassen Sie Ihren
Hund reagieren! Der kleine
Unterschied: lassen Sie den Hund
warten, wo immer es sich
anbietet. Füttern sie ihren Hund
z.B. nicht sofort, sondern
vielleicht eine halbe Stunde
später, nachdem sie ihren
Tyrannen zuvor eine kleine
Gehorsamsübung haben machen
lassen. Oder machen Sie einfach
das Gegenteil von dem, was der
Hund möchte: Will er beim
Spazierengehen stehen bleiben
und schnüffeln, dann gehen Sie
weiter; wenn er es eilig hat,
dann haben Sie Zeit.
Schweigen ist Gold. Auf einige
der dominanten Verhaltensweisen
des Hundes kann man mit
Gegenkonditionierung reagieren
(z.B. „Platz", wenn er Besucher
belästigt), und gleichzeitig
auch seine Bewegungsfreiheit
einschränken („bleib"). Oder man
schlägt den dominanten Hund mit
seinen eigenen Waffen und
reagiert auf das schlechte
Benehmen des Hundes, indem man
ihm genau das entzieht, was er
mit seinem Verhalten oft
erreichen will: die
Aufmerksamkeit seines Menschen.
Bei dieser „stillen
Dominanzausübung" wird der Hund
für kurze Zeit völlig ignoriert
(nicht ansprechen, nicht
anfassen, nicht anschauen, evtl.
Kopf oder Körper wegdrehen oder
sogar weggehen). Lassen Sie den
Hund einfach ins Leere laufen
und tun Sie so, als sei der Hund
gar nicht da. Anspringen kann
man z.B. ignorieren, indem man
sich durch eine Körperdrehung
einfach vom Hund abwendet und
ihm die „kalte Schulter" zeigt.
Hat er sich beruhigt, kann man
auf die Wünsche des Hundes
eingehen, indem man nun selbst
eine Interaktion startet: Man
fordert die Ausführung eines
Befehls und erst wenn der Hund
so seinen Respekt bekundet hat,
gibt man dem Hund, was er
wünscht. So kann man z.B. ein
„Sitz" verlangen und seinen
Gehorsam mit Streicheln belohnen
oder anschließend mit ihm
spielen. Auf diese Weise erfährt
er die Beachtung, nach der er so
sehr trachtet. Auch anderes
Fehlverhalten des Hundes kann
man manchmal demonstrativ
ignorieren. Bleiben Sie dabei
cool, schimpfen Sie nicht,
zerren Sie nicht an seinem
Halsband. Sobald er das
erwünschte Verhalten zeigt, muss
er belohnt werden.
So macht man sich für den Hund
zum „Nabel der Welt". Agieren
und sich Ignoranz leisten zu
können drückt eine
Vormachtstellung aus, bekräftigt
und unterstreicht die Dominanz
des Menschen - ganz nach dem
Vorbild des Wolfsrudels, in dem
die Alphatiere eine Gelassenheit
ausstrahlen, die schon fast an
abweisenden Gleichmut grenzt.
Ich muss hier allerdings sehr
zur Vorsicht raten. Ein
unsicherer Hund wird sicher sehr
erleichtert reagieren, wenn er
feststellt, dass ein
menschliches Familienmitglied
sich die Mühe macht, ein guter
Rudelführer zu werden. Bei einem
selbstbewussten Hund kann es
dagegen sehr riskant sein, die
Sozialstruktur schlagartig zu
ändern. Er kann dann mit
Aggression reagieren, um die
ursprünglichen Verhältnisse
wieder herzustellen. Ich kann
Ihnen nur immer wieder
empfehlen, einen Fachmann zu
konsultieren!
Wie kann man den Hund
wieder auf eine untergeordnete
Position zurückstufen?
Rücken Sie sein Weltbild
zurecht!
Versucht der Hund Sie zu
dominieren und Sie werden
ärgerlich, dann nehmen Sie den
Kampf um die Rangordnung mit ihm
auf - manchmal mit unschönen
Konsequenzen. Lassen Sie sich
deshalb nicht provozieren und
behalten Sie Ruhe. Aggression
und Geschrei sind auf jeden Fall
fehl am Platze - das hat der
Rudelführer nicht nötig! Lassen
Sie die Beziehung zu Ihrem Hund
lediglich etwas abkühlen. Ich
empfehle all denjenigen, die zur
Zeit Probleme mit der
innerbetrieblichen Rangordnung
haben, die obigen Regeln für das
tägliche Miteinander während
eines Zeitraums von 3 – 6 Wochen
100%ig einzuhalten. Sie sind ein
Alpha mit Imponierverhalten!
Während dieser Zeit kann Ihr
Hund erkennen, dass Sie wohl
doch einen höheren Status
innehaben als er vorher dachte.
Wie lange Sie ein
„imponierendes" Alphatier sind,
muss von Fall zu Fall und von
Hund zu Hund entschieden werden.
Versuchen Sie herauszufinden,
was Ihrem Hund wichtig ist und
streichen Sie genau diese
Privilegien, solange es
Schwierigkeiten gibt. Doch
übertreiben Sie nicht. Haben Sie
Geduld, ändern Sie nicht alles
auf einen Schlag. Wenn Ihr Hund
seine geliebten Privilegien
bereits aggressiv verteidigt,
nehmen Sie ihm diese nicht
gleich zu Beginn weg, sondern
erst nach und nach. Evtl.
sollten Sie Ihrem Gernegroß die
Privilegien nur noch als
Belohnung für richtiges
Verhalten gewähren. So löst man
dieses Problem rasch und
konsequent - und schon ist das
Thema vom Tisch - ohne, dass man
jemals ein lautes Wort dem Hund
gegenüber anwenden muss, und
ohne, dass man ihm körperliche
Gewalt zufügen müsste. Gibt Ihr
Hund sich mit seinem
untergeordneten Platz im
Mensch-Hund-Rudel zufrieden,
dann können Sie dem Hund getrost
wieder einige Privilegien
gewähren. Sie werden dann
merken, ob Ihr Hund diese
Zugeständnisse als Schwäche
ansieht und versucht, seine
Grenzen wieder weiter zu
stecken. In diesem Fall
beanspruchen Sie so viele
Privilegien für sich wie
notwendig, bis sich ein gesunder
Mittelweg eingependelt hat.
Und noch etwas: Spielen Sie mit
einem aufstrebenden Hund keine
Spiele, bei denen er eine starke
Position einnehmen kann: also
keine Rauf- oder Ziehspiele
sowie Nachlaufspiele.
Empfehlenswert sind dagegen alle
Spiele, die eine
Gehorsamskomponente beinhalten
wie z.B. Apport- und Suchspiele.
Selektive
Dominanzaggression
Wenn der Hund versucht, ein
einzelnes Familienmitglied
einzuschüchtern
Obwohl ein dominanter Hund in
aller Regel ein freundlicher
Hund mit viel Selbstvertrauen
ist, wird der
dominant-aggressive Hund zu
einer schweren Belastung. Solche
Hunde sind übermäßig
selbstbewusst und benehmen sich
wie Tyrannen. Ihr Ziel ist es,
in jeder Lebenslage des Alpha zu
sein, insbesondere innerhalb
ihrer eigenen Familie. Um dies
zu beweisen und sich
durchzusetzen, pflegen sie in
der Regel zu bellen, zu knurren,
die Zähne zu fletschen, zu
schnappen oder auch zu beißen.
Zuweilen versucht der
dominant-aggressive Hund, nur
einige Familienmitglieder
einzuschüchtern, nicht alle. Bei
solchen Hunden haben in der
Regel nur ein oder zwei
Familienmitglieder echte
Kontrolle über den Hund. Der
dominant-aggressive Hund wird
immer versuchen, das am wenigste
selbstbewusste Familienmitglied
herauszufordern.
Ist das Dominanzverhalten des
Hundes in der Familie auswählend
geprägt, sollte das dominante
Familienmitglied den Gernegroß
einige Zeit völlig ignorieren.
Sämtliche Belohnungen,
einschließlich Nahrung,
Spaziergänge und soziale
Interaktionen werden nur noch
von demjenigen vergeben, den der
Hund zuvor als rangniedriger
angesehen hat. Dieser muss alle
Ressourcen verwalten, die dem
Hund wichtig sind. Alles Gute
erhält er in der nächsten Zeit
nur noch durch ihn. Der Hund
soll damit lernen, dass er auch
ihm gegenüber gehorchen und
unterwürfig sein muss, um diese
Dinge zu bekommen. Er muss z.B.
lernen, dass auch der Erhalt von
Futter nichts
Selbstverständliches ist.
Und auch hier gilt natürlich,
dass man schnellstens Rat bei
einem fachkundigen
Verhaltenstherapeuten suchen
sollte. Pauschale Diagnosen wie
„Dominanz" sind sehr
verführerisch. Aggression kann
im Konkurrieren begründet sein,
muss aber nicht. Es gibt viele
Ursachen für hundliche
Aggression. - Ein Grund mehr,
bei Problemen einen
Verhaltenstherapeuten
aufzusuchen. Diese Tipps können
und sollen Ihnen den Weg zum
Fachmann nicht ersparen, denn
sie sind zu allgemein, um Ihre
ganz besondere Beziehung zu
Ihrem Hund wieder ins Lot zu
bringen.
Ausnahmen bestätigen die
Regel - Rangeinordnung mit
Augenmaß
Nun sollte man aber auch nicht
übertreiben. Die obige Liste mit
den Privilegien zeigt
Verhaltensweisen des Hundes, die
auf Dominanz hinweisen können,
was aber nicht in jedem Fall
notwendigerweise zutreffen muss.
Über die Rangbeziehung
entscheidet niemals eine
einzelne Situation, sondern
immer die Gesamtheit vieler
Situationen. Wenn sich der Hund
auf die Füße des Menschen legt
oder den Kopf auf den Schoß des
Menschen legt, so kann das im
Einzelfall wirklich eine
Dominanzgeste des Hundes sein,
häufig ist das Verhalten jedoch
lediglich Kontaktliegen des
Hundes als Ausdruck eines
Zusammengehörigkeitsgefühls. Und
ein Hund der gerne auf dem Sofa
liegt, sucht vielleicht einfach
nur ein bequemes Plätzchen. Da
braucht es schon etwas Augenmaß
von Seiten des Hundehalters. Es
gibt viele Hunde, denen die
Rangordnung einfach „scheißegal"
ist.
Das Leben mit einem Hund in
Hierarchie ist eine ständige
Gratwanderung zwischen der
notwendigen Einengung des Hundes
einerseits und dem
vertrauensvollen Sich –
Entfalten - Lassen andererseits,
zwischen Autorität und Toleranz,
zwischen Dominanz und
Nachgiebigkeit. Wie genau Sie
sich an die obigen Regeln halten
müssen, hängt ganz einfach davon
ab, wie dominant Ihr Hund sich
derzeit fühlt. Je dominanter er
sich gebärdet, desto mehr müssen
Sie Ihre Chefrechte einfordern.
Solange die führende Rolle des
Menschen jedoch unumstritten
ist, kann man durchaus auch
gegen die obigen Regeln
verstoßen ohne gleich die
Ranghoheit zu verlieren. Bei der
Erziehung und Ausbildung ist
Konsequenz gefordert, aber im
sozialen Miteinander kann man
die Zügel auch mal locker
lassen.
Dominanz ist das Privileg, sein
Interesse jederzeit durchsetzen
zu können - wenn man will, aber
man muss sich nicht durchsetzen.
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